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Bergisch Samba

Bergisch Samba

Titel: Bergisch Samba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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wurde ich vom Wald verschluckt. Das schwache Licht des Nachmittags hatte hier kaum eine Chance. Ich schaltete die Scheinwerfer ein. Der Lichtkegel traf auf ein paar Rabenkrähen, die erst noch auf dem Weg herumwatschelten, sich dann aber auf den nächsten Baum verzogen. Die Straße endete in einer Sackgasse vor einer Gruppe von Büschen. Ein Stück dahinter ragte eine dunkle Felswand in die Höhe.
    Ich stieg aus und gab Acht, nicht gleich in die erstbeste Pfütze zu treten. Der Boden war aufgeweicht. Es roch nach herbstlicher Fäulnis und abgestandener Feuchtigkeit. Zwischen den Büschen verlief ein kleiner Pfad, der zu einem Zaun führte. Er war von einem Tor unterbrochen, das die Breite eines Pkw besaß und mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Oben hing ein rostiges Schild: »PRIVATBESITZ. BETRETEN VERBOTEN«. Der Zaun war an einigen Stellen kaputt, und ich fand eine Stelle, wo ich hindurchschlüpfen konnte.
    Ich sah breite Reifenspuren, in denen zentimeterhoch das Wasser stand. Durch das feuchte Unterholz näherte ich mich der Felswand. Ich ging noch an ein paar Büschen und kleinen Bäumen vorbei, dann war ich am Ziel. Ich blickte nach oben. Der Felsen wurde von mächtigen dunklen Tannen gekrönt - Riesen, die drohend auf mich herabzublicken schienen.
    Am Fuß des emporwachsenden Felsens befand sich eine kleine Lichtung. Der Boden wellte sich in kleinen Hügeln, und die Erde war weich. Das Gelände sah aus, als sei es mehrmals umgegraben worden. Ich stocherte mit der Schuhspitze ein bisschen in dem Dreck. Nach ein paar Zentimetern erschien etwas Blaues. Ein Müllsack. Ich trat ein paarmal dagegen; er war weich. Ich bückte mich und riss das Plastik auf. Holzwolle kam zum Vorschein. Ich wühlte darin. Ich fand nichts weiter, auch keine Hampelmänner. Die waren sicher in einer tieferen Schicht vergraben.
    Ich erhob mich, und die Totenstille nahm mich nach und nach gefangen. Es begann dunkel zu werden; die Felswand schien näher zu rücken. Ich fröstelte.
    Ich hatte mir vorgestellt, das unbekannte Kind könnte an der Müllkippe gespielt haben und auf diese Weise an den Hampelmann gekommen sein. Jetzt, wo ich hier stand, kam mir das absurd vor. Was wollte ein kleines Mädchen mitten im Wald?
    Es hatte keinen Zweck. Ich würde Mölich den Hinweis auf diesen Ehrlich geben. Das Mädchen musste das Kind einer ehemaligen Arbeiterin sein. Wenn die Mutter illegal in Deutschland war, konnte das immerhin erklären, warum sie sich nach dem Tod des Kindes nicht bei der Polizei gemeldet hatte.
    Ich ging langsam zurück, die weiche Erde schluckte meine Schritte. Gerade hatte ich mich durch den Zaun gequetscht, da hörte ich Motorengeräusch.
    Ich lauschte. Es war kein Auto, was da durch den Wald knatterte, sondern eher ein Motorrad. Vielleicht auch eine Motorsäge. Jedenfalls entfernte sich das Geräusch nicht, und es kam auch nicht näher. Es kam nicht von dem Weg, den ich herangefahren war. Sein Ursprung war in der anderen Richtung. Vielleicht im nächsten Tal.
    Rasch ging ich zurück, setzte mich in den Golf und studierte erneut die Karte. Zwei Zentimeter neben der Stelle, an der ich mich gerade befand, waren in weiten Abständen zwei rosa Kästchen eingezeichnet - zu erreichen über eine Straße, die von dem Zufahrtsweg, den ich gekommen war, abzweigte. Ich hatte die Abbiegung gesehen, sie aber nicht beachtet, weil mir Ehrlich eingeschärft hatte, immer auf diesem Weg zu bleiben.
    Ich drehte den Wagen zwischen dem Unterholz und fuhr zurück. Nach der Einbiegung wurde die Straße noch etwas schmaler und führte durch einen langen Hohlweg, auf dem keine zwei Fahrzeuge aneinander vorbeikamen. Immer wieder hörte ich in regelmäßigen Abständen den Lärm. Und er wurde lauter. Ich dachte schon, die Strecke würde ins absolute Nirwana führen, da verwandelte sich der Schotterweg in eine rissige Asphaltstraße und ging genau auf ein Haus zu. Der Wald war zu Ende. Hinter dem Haus ging es weiter bergauf, hinten lag ein kleiner Bergrücken mit eingezäunten Weiden. Drei, vier einzelne Bäume reckten ihre Äste in den grauen Novemberhimmel.
    Das Haus war Teil eines Anwesens. Rechts lag hinter einem Zaun ein kleiner Teich mit hölzernem Entenhaus; auf der anderen Seite erhob sich ein Betonsilo, und daneben gab es einen Schuppen mit Plastikfolie als Dach. Alte Autoreifen hinderten die Folie daran, bei starkem Wind davonzufliegen. Vor dem Schuppen stand ein Mann in blauer Monteurskluft neben einem Motorrad und gab immer wieder

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