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Bergisch Samba

Bergisch Samba

Titel: Bergisch Samba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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höre gleich auf«, sagte er.
    Und wieder: CD nehmen, hochwerfen, schießen, BUMM!, holen, wegwerfen.
    »Aber es ist schwierig, aufzuhören. Es macht süchtig. Es ist, als würde man Chips essen.«
    CD nehmen, hochwerfen, schießen, BUMM!, holen, wegwerfen.
    »Ich würde Sie gerne was zur Ratnik-Hütte fragen«, sagte ich und bereute es gleich wieder. Was, wenn der Irre hier etwas mit dem Brand zu tun hatte? Was, wenn ihm meine Fragen nicht gefielen? Was, wenn er noch einen Schuss in seiner Flinte hatte? Einen für mich?
    »Jetzt habe ich sowieso keine Munition mehr«, erklärte er, und ich atmete innerlich auf. Er schmiss die letzte CD in den Karton. »Außerdem wird's kalt. Kommen Sie, gehen wir rein. Dort können wir uns besser unterhalten.«
    »Aber ich will Ihnen keine Umstände machen.« Ich wollte dem Mann ungern in seine Behausung folgen.
    »Kein Problem«, sagte er. »Kommen Sie nur.« Er packte den Karton mit den Zweiloch-CDs und stellte sie neben den Eingang des Hauses. Ich kam hinter ihm her.
    »Was für CDs haben Sie da zerstört?«, fragte ich. »Wäre es nicht besser, sie zu verschenken?«
    »Nein«, erklärte er kategorisch. »Vor so was muss man die Welt bewahren.«
    Ich bückte mich und wühlte ein bisschen in der Kiste. »Carl Orff. Carmina Burana« las ich auf einer CD.
    »Völlig überbewertet.«
    Ich hatte davon keine Ahnung. »Aber das hier ist doch was Bedeutendes?«, sagte ich. Auf der CD, die ich hochhielt, stand »Bachs Kunst der Fuge«. Das »u« in »Fuge« war verschwunden, genau an dieser Stelle prangte das Loch. Von dieser klassischen Komposition hatte mir Jutta einmal in einem Anfall von kulturellem Sendungsbewusstsein vorgeschwärmt.
    »Sie haben völlig Recht. Ein Meisterwerk der abendländischen Musik. Aber nicht, wenn es in hirnlosen Techno verwandelt wird.«
    Ich kniff die Augen zusammen, um das Etikett genau zu lesen. »DJ Knally presents JSBACH« stand da.
    »Eine der Segnungen des Bachjahres 2000«, erklärte der Mann.
    Ich wühlte noch ein bisschen herum und fand Titel wie »Die Wiener Sängerknaben singen Madonna«, »Die schönsten Verdi-Chöre mit der italienischen Fußballnationalmannschaft«.
    »Und was ist das hier?«, fragte ich. »Mögen Sie den nicht?«
    »Was ist das?«, fragte der Mann.
    »Kaihans Bockhausen«, sagte ich. Das Cover zeigte einen alten Mann mit grimmigem Gesichtsausdruck. Das Stück auf der CD hieß »Dreiecksquartett«. Der Mann hatte es mit geometrischen Formen.
    »Hören Sie mir bloß mit dem Blödsinn auf.«
    Wir gelangten in ein winziges Wohnzimmer, und sofort begriff ich alles. Die Wände waren von oben bis unten mit CDs voll gestellt. Mit einzelnen, mit Doppel-CDs, mit Boxen, auf denen Operntitel standen: »La Traviata«, »Madame Butterfly«, »Die Hochzeit des Figaro«. Und das nicht nur einmal: Ich zählte sechs Aufnahmen der Oper »Don Giovanni« verschiedener Labels nebeneinander. Der Name Bach nahm eine ganze Breitseite des Wohnzimmers ein.
    »Wie kommen Sie an das ganze Zeug?«
    »Ich bin Musikkritiker«, sagte der Mann. »Ich kriege so gut wie alles, was an Klassik-CDs auf den Markt kommt. Etwa zweihundert CDs im Monat.«
    »Und was machen Sie damit? Ich meine, wenn Sie sie nicht gerade erschießen?«
    »Ich schreibe Rezensionen für verschiedene Zeitschriften. Natürlich, nachdem ich mir die CDs angehört habe.«
    »Interessant«, sagte ich - förmlich erschlagen von all der Musik.
    »Das hier ist übrigens nur eine Handauswahl, so zum Hören«, sagte er. »Das eigentliche Archiv habe ich in der oberen Etage.
    »Wie viele CDs haben Sie denn?«, fragte ich.
    »Ich schätze so an die zehntausend. Übrigens, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Fischer. Tilmann Fischer.«
    »Rott«, sagte ich.
    »Setzen Sie sich. Sie wollten was über die Ratnik-Hütte wissen. Warum?«
    Wir nahmen in zwei kleinen Sesseln Platz, die mit den CD-Regalen das gesamte Wohnzimmer einnahmen. Mein Sprüchlein kam wieder zum Einsatz. Diesmal erweiterte ich es um den Hinweis, dass die Hütte offenbar von jemandem angezündet worden war. An dieser Stelle hakte Fischer ein.
    »Die Hütte ist abgebrannt?«
    »Nicht ganz, aber es hatte jemand vor. Haben Sie nichts gemerkt?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Soweit ich das beurteilen kann, kann man die Hütte doch nur von Ihnen oder von Broichs aus erreichen. Oder sehe ich das falsch?«     
    »Nein, das stimmt. Außer man schlägt sich durch den Wald.«
    »Und Sie haben niemanden gesehen, der sich

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