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Bergisch Samba

Bergisch Samba

Titel: Bergisch Samba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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blieb nichts anderes übrig.
    Ich ging zurück zur Tür und öffnete sie ein Stück weiter. Es knarrte leise. Ich atmete noch mal tief durch und ging hinein.
    Das schwache Licht, das durch die Fenster hereinkam, beleuchtete jede Menge Hausrat, den jemand wild durcheinander geschmissen hatte. Ich erkannte Reste von undefinierbaren Textilien, Reste eines umgekippten Geschirrschranks. Haufenweise Porzellan- und Glasscherben. Es gab zwei Räume im Erdgeschoss; in der Mitte des größeren gähnte ein gemauerter Kamin. In dem schmalen Flur zwischen den Zimmern führte eine steile Treppe hinauf, es war mehr ein Mittelding aus Treppe und Leiter.
    Ich packte das Holz und rüttelte daran. Der unbekannte Brandstifter schien sich mehr auf die unteren Wohnräume konzentriert zu haben. Die Treppe wirkte, als sei sie in Ordnung, obwohl das Holz auch schwarz und verkohlt war.
    Langsam stieg ich hinauf und gelangte in einen einzigen Raum voller Schrägen, der das gesamte Obergeschoss ausfüllte.
    Ein Gesicht sah mich an; ich zuckte vor Schreck zusammen. Es war der Kopf eines Schaukelpferds, das direkt neben der Treppe stand. Die gemalten Züge des Tieres wirkten wie ein groteskes Grinsen.
    Dahinter lagen ein paar Matratzen auf dem Boden, umgeben von Spielzeug. Kleine Püppchen, Bauklötze, das meiste aus Holz. Es sah aus wie selbst gemacht. Bis auf eine Ausnahme. Ich ging ein paar Schritte in den Raum hinein. Ich musste mich dabei ducken. Ich hob etwas auf, das mir bekannt vorkam: der gleiche Plastikhampelmann wie der, den der Cellist vom Rosenberg-Quartett in seinem Instrumentenkoffer hatte. Es gelang mir, in dem Dämmerlicht die Aufschrift zu lesen. Es war ebenfalls ein Exemplar aus der Sondermann-Edition.
    Ich suchte nach weiteren Indizien und erkannte in einer Ecke einen Haufen Bücher. Sie waren nicht verbrannt, aber dreckig und verstaubt, und sie hatten sich mit Feuchtigkeit voll gesogen.
    Ganz oben auf dem Stapel lag ein Band, der »Auf einer Blockhütte in Kanada« hieß. Ich überschlug ein paar Seiten; das Buch hatte offenbar einer dieser Aussteiger geschrieben, die es in die Wildnis zog. Ein weiterer Band hieß »Waiden oder das Leben in den Wäldern«. Der Aussteiger-Klassiker von Henry David Thoreau. Auf die erste Innenseite des Taschenbuches hatte Ratnik ungelenk seinen Namen gekritzelt. Viele Stellen waren mit Bleistift unterstrichen. Ich hielt das Buch an das winzige Dachfenster und versuchte, einige davon zu entziffern. »Das meiste von dem, was man unter dem Namen Luxus zusammenfasst, und viele der so genannten Bequemlichkeiten des Lebens sind nicht nur zu entbehren, sondern geradezu Hindernisse für den Aufstieg des Menschengeschlechts«, las ich. Oder: »Nicht die Speise, welche in den Mund eingeht, verunreinigt den Menschen, sondern die Gier, mit welcher sie verzehrt wird. Weder die Qualität noch die Quantität, sondern die Hingabe an den sinnlichen Reiz ist das Übel.«      
    Ich legte das Buch auf den Boden. Gut, dachte ich. Ratnik war ein Aussteiger und hat hier mit Frau und Kind gelebt - so weit weg von der Zivilisation wie möglich. Das Kind ist tot, Ratnik und die Frau sind verschwunden und irgendjemand hat vor recht kurzer Zeit die Hütte angezündet.
    Aber wer hatte das getan? Und warum?
    Um Spuren zu verwischen? Um von irgendetwas abzulenken?
    Hatte der Typ im braunen Opel damit etwas zu tun?
    Ich sah auf die Uhr: kurz nach fünf. Ich musste machen, dass ich zum Auto zurückkam, denn ich hatte keine Lust im Dunkeln im Wald herumzustolpern.
    Doch vorher sollte ich vielleicht die Polizei anrufen, dachte ich. Heute Morgen hatte mich Mölich noch ausgelacht. Was würde er für ein dummes Gesicht machen, wenn ich ihm das hier präsentierte?
    Ich holte seine Nummer aus dem Wiederwahlspeicher und hörte eine Weile zu, wie sich der Rufton wiederholte. Ich ließ es klingeln, bis das Besetztzeichen kam.
    Gut, dachte ich. Wird er eben morgen erfahren, dass es manchmal durchaus sinnvoll sein konnte, hartnäckig jeder Spur nachzugehen. Und wenn es ein Spielzeug war, das man an einem Ort gefunden hatte, wo öfters Flohmärkte stattfanden.
    Ich machte mich vorsichtig an den Abstieg - immer bemüht, nicht von der schmalen Treppenleiter abzurutschen. Ich hatte gerade die Hälfte des Weges geschafft, als ich einen Schuss hörte.

6. Kapitel
    BUMM!
    Es klang wie eine ferne Kanone. Der Nachhall rollte durch den Wald, und es dauerte eine Weile, bis er sich verflüchtigt hatte.
    Ich war zu Tode erschrocken. So schnell

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