Bericht vom Leben nach dem Tode
erwähnen, ist insofern wichtig, als damit der animistische Erklärungsversuch entkräftet wird, das Medium habe lediglich die Gedanken der Séanceteilnehmer anzuzapfen brauchen und auf dem üblichen telepathischen Weg herausgebracht, mit wem der einzelne gern in Kontakt getreten wäre und was ihn mit dem Verstorbenen besonders verbunden hatte. Und selbst wenn es so einfach gewesen wäre: Die Produktion der originalen Stimmen wäre damit noch nicht erklärt.
Wieder über der City von New York erwachte Miß Tafe. Für sieben erfahrene Medienforscher ging die spektakulärste und zugleich ergreifendste Séance ihres Lebens zu Ende. Ich stieg die Gangway als erster hinunter, und wieder auf festem Erdboden, sah ich in die Gesichter der anderen Passagiere, die allesamt einen seltsam abwesenden Eindruck machten. War das verwunderlich? Von so fern kehrt niemand unverändert wieder.
Die ungeheuren Belanglosigkeiten
Es wird oft kritisiert, daß durch Medien übermittelte Botschaften Verstorbener ihrem Inhalt nach bisweilen recht belanglos sind. Warum, so fragt man, verschwenden die Toten kostbare Augenblicke mit Geschwätz und Familienklatsch? Warum werden wir so oft mit höchst privaten, für die Allgemeinheit uninteressanten Nachrichten überschüttet, während die großen Fragen unbeantwortet bleiben? Sollten so seltene Gelegenheiten nicht zur Lösung tiefgründigerer Probleme genutzt werden? Wenn uns nach dem Tode wirklich eine andere Welt erwartet, gibt es doch nichts Wichtigeres, als zu erfahren, wie es dort aussieht. Warum beschreibt man uns das nicht in klaren Worten?
Diese Unzufriedenheit mit den Inhalten von Jenseitsnachrichten ist verständlich und hat die besten Köpfe der psychologischen Forschung angeregt, nach Erklärungen für die Trivialität solcher Kontakte zu suchen. Eine diesbezügliche, zu Beginn dieses Jahrhunderts von einem berühmten Professor der Columbia-Universität, James H. Hyslop, durchgeführte anschauliche Demonstration wurde von einem seiner Schüler, dem vor allem als Dramatiker bekanntgewordenen Louis Anspacher, beschrieben.
Hyslop ließ eine Telegrafenleitung legen, die zwei der am weitesten voneinander entfernten Gebäude auf dem Columbia Campus miteinander verband, und setzte an jedes Ende einen erfahrenen Telegrafisten. Er selbst blieb bei dem einen, während sich um den anderen eine Gruppe Studenten scharte. Einer der Studenten war Anspacher. Zweck des Experiments war, festzustellen, welche Art von Nachricht es Hyslop ermöglichen würde, mit Bestimmtheit zu sagen, daß nur ein bestimmter Student der Sender einer bestimmten Nachricht sein konnte.
»Als ich an der Reihe war«, schreibt Anspacher, »erwähnte ich die bemerkenswerte Tatsache, daß Royce, ein Hegelianer, William James, ein Pragmatiker, und Münsterberg, ein Materialist, gleichzeitig an der Philosophischen Fakultät von Harvard lehrten. Dann sprach ich über Henri Bergson und die Stellung der Institutionalisten in der modernen Philosophie. Alles umsonst; Hyslop erriet nicht, wer am anderen Ende der Leitung war. Dann telegrafierte ich folgendes: ›Als wir mit der Straßenbahn durch die Amsterdam Avenue fuhren, diskutierten wir über Bergsons élan vital. Der Schaffner machte sich über unser barbarisches Französisch lustig. Wir wollten beide gleichzeitig das Fahrgeld bezahlen, aber Ihre Münze fiel herunter.‹ So banal diese Nachricht auch war, Hyslop wußte sofort Bescheid und telegrafierte zurück: ›Anspacher‹.« 19
Kein anderer konnte genau das in genau dieser Reihenfolge zusammen mit ihm erlebt haben; auf diese Weise konnte er ohne jeden Zweifel oder Vorbehalt sagen, wer die Nachricht gesandt hatte.
Viele der scheinbar überflüssigen Botschaften, die zwischen Fletcher und mir hin und her gehen, dienen ebenfalls der Identifizierung des Urhebers.
Jedes Medium, das in der Trance in Kontakt mit Unbekannten tritt, kennt dieses Problem und weiß, daß es die Belanglosigkeiten sind, die den Schlüssel zur Identifizierung des Partners liefern. Wer den trivialen Durchgaben keine Beachtung schenkt, wer ein schlechtes Erinnerungsvermögen besitzt oder ein bewußt oder unbewußt einseitig geschultes Gedächtnis, das banale Details nicht zu registrieren pflegt, der wird mit seinen medialen Verbindungen zu Jenseitigen wie auch zu Fremden im Diesseits nicht viel Glück haben.
Dr. Morris Edmund Speare, Philosophiedozent an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, lehrte jahrelang in Harvard, war Lektor beim
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