Bericht vom Leben nach dem Tode
fortschreitet. Nehmen wir den Fall des französisch sprechenden Napoleon, einer historischen Gestalt, die häufig in fragwürdigen Séancen auftaucht – und manchmal ein Hillbilly-Englisch spricht, dessen er in seinem irdischen Leben zweifellos nicht mächtig war. Nehmen wir einmal an, daß Napoleon, nachdem er etwa hundert Jahre lang Zeit hatte, über die Fehler seines ungezügelten Machtstrebens nachzudenken, und Erfahrungen auf Gebieten sammeln konnte, die ihm im irdischen Leben unbekannt waren, ein Friedensfürst geworden sei. Würde er, wenn er der Menschheit eine wichtige Botschaft übermitteln wollte, seinen Namen benutzen, der ihn doch als pathologischen Usurpator ausweist? Würde man ihn – bzw. das Medium – nicht auch dann für einen Scharlatan halten, wenn er seinen Charakterwandel begründete?
Oder nehmen wir Kolumbus: Würden wir ihm ernsthaft Gehör schenken, wenn er uns Tips für eine Modernisierung des Überseeverkehrs geben oder Prognosen über die weitere Entwicklung in den USA stellen würde? Und würden wir einem Jenseitigen, der sich Kopernikus oder Galilei nennt, glauben, wenn er seine neuesten astronomischen Erkenntnisse in der Terminologie des Atomzeitalters vortragen würde?
Wenn es nicht die hier genannten Gründe sind, welche anderen gibt es dann dafür, daß glaubwürdige Kontakte mit berühmten historischen Persönlichkeiten selten sind – wenn wir einmal von den Erfahrungen des englischen Mediums Mrs. Rosemary Brown absehen, die bekanntlich seit Jahren »Musik aus dem Jenseits« 22 empfängt? Der plausibelste Grund könnte mit der von Raymond Lodge und Frederic Myers beschriebenen Struktur der jenseitigen Sphäre Zusammenhängen. Den Aussagen des jungen Raymond und dem »Frederic-Myers-Report« habe ich besondere Kapitel gewidmet.
Einige der aufschlußreichsten Botschaften wurden mir von Jenseitigen übermittelt, die es vorzogen, anonym zu bleiben, und sich mit Decknamen wie »Imperator«, »Rex«, »Der Unsichtbare« oder einfach »Mittelsmann« zu erkennen gaben. Wir haben Anlaß zu glauben, daß ein paar davon im irdischen Leben hervorragende Persönlichkeiten waren. Treffen intelligente und aufgeschlossene Séanceteilnehmer, ein fähiges Medium und eine im Erdendasein geistig hochstehende Persönlichkeit, die jetzt im Jenseits lebt, bei einer Sitzung zusammen, so nennt der Verstorbene manchmal sogar seinen vollen irdischen Namen, und zwar meist dann, wenn er die Gewißheit hat, von seinem Gesprächspartner hier im rechten Sinn verstanden worden zu sein, oder aber, wenn Nachkommen von ihm anwesend sind, denen er eine persönliche Botschaft durchgeben möchte. Doch welche historische Gestalt findet noch Familienangehörige auf Erden – und trifft sie dann auch noch bei einer Séance! Andererseits mag bei vielen, die bereits vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten verstorben sind, gar kein Bedürfnis mehr bestehen, mit den jetzt Lebenden, den fremden Menschen einer fremden Zeit, in Kontakt zu treten. Lassen wir nicht schon auf Erden viele Freundschaften, die wir in früheren Lebensabschnitten unterhielten, allmählich »einschlafen«? Man ist andere Verbindungen eingegangen, hat seine Interessengebiete gewechselt, lebt in einer anderen Umgebung.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß die Wesen auch im Jenseits Menschen bleiben und weiterhin mit all den positiven und negativen Eigenschaften unserer Spezies behaftet sind.
Dieser Menschlichkeit auch der Toten eingedenk, wollen wir einmal annehmen, Sie – mein Leser! – wären jetzt neunundzwanzig Jahre alt. Ich frage Sie: Haben Sie immer noch dieselben Ideen, Bedürfnisse, Interessen und halten Sie noch dieselben Dinge für erstrebenswert wie damals, als Sie zwölf Jahre alt waren? Natürlich nicht; Sie sind reifer geworden, und die Reife hat Sie verändert. Sie haben Ihren Geist zu einer höheren Form entwickelt. Oder nehmen wir an, Sie sind soeben in eine andere Stadt gezogen. Werden Sie sie nach sechs Jahren noch genauso beurteilen wie nach sechs Tagen? Vermutlich nicht. Wenn Sie sie besser kennenlernen – ihre Möglichkeiten, die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten –, verändert sich auch Ihre Einstellung ihr gegenüber.
Und nehmen wir schließlich an, wir würden folgende Leute in ein Flugzeug nach Chicago setzen: eine Hausfrau, eine Stenotypistin, einen Arzt, einen Lehrer, einen Tankwart, einen Lebensmittelhändler, einen Börsenmakler, einen Landvermesser, einen Flugkapitän, einen Farmer, einen
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