Bericht vom Leben nach dem Tode
Philosophieprofessor, einen Akrobaten und eine Opernsängerin. Sie haben den Auftrag, zwei Tage in Chicago zu bleiben und uns dann den Ort mit ungefähr zweitausend Worten zu beschreiben, doch ohne den Namen der Stadt zu erwähnen. Ähnliche Experimente haben gezeigt, daß wir eine Sammlung mehr oder weniger extrem voneinander abweichender Schilderungen erhalten und es uns schwerfallen würde zu glauben, es handle sich um dieselbe Stadt, obwohl wir es genau wüßten.
Genau das gleiche geschieht, wenn Jenseitige sich bemühen, uns ihre Umwelt zu beschreiben, in der auch wir eines Tages leben werden. Alle geben Kunde vom gleichen Universum. Doch die des Gebildeten wird völlig anders sein als die des Ungebildeten. Der Lehrer wird das Jenseits nicht mit denselben Worten schildern wie die Opernsängerin oder der Tankwart. Der Mensch, der erst gestern seinen irdischen Körper verlassen hat, wird nicht so frohgemut sein wie derjenige, der bereits vor vielen Jahren in die neue Dimension eingetreten ist. Der Philosoph, im Reich des Geistigen beheimatet, wird uns von dort nicht die gleiche Beschreibung geben wie etwa ein Landvermesser. Alle diese Unterschiede kann man vernünftigerweise nicht widersprüchlich nennen. Es sind ganz normale Erscheinungen, das Resultat der menschlichen Individualität.
Haben Sie je versucht, einem Menschen, der sich sein Leben lang nur in Meereshöhe und in den Tropen aufhielt, Hochgebirge, Eis und Schnee zu beschreiben? Solche Verständigungsschranken können natürlich auch zwischen Menschen bestehen, die nur zwanzig Meter voneinander entfernt leben. Ich denke dabei nicht an terminologische Schwierigkeiten zwischen Fachmann und Laie, sondern an das überforderte Vorstellungsvermögen eines Durchschnittsbürgers bei der Schilderung einer Séance. »Die Erde«, versicherten mir Freunde von drüben, »erscheint uns nur noch als Kindergarten, seit wir in diesem großen Teil des Universums sind. Wie sollen wir euch etwas beschreiben, was ihr euch gar nicht vorzustellen vermögt?«
Für jeden von uns besteht ein großer Teil der täglichen Lebenspraxis aus Dingen, die man als real anerkennen muß, jedoch mit seinen fünf Sinnen nie ganz erfaßt hat. Wie viele von uns können sich und anderen erklären, wie Elektrizität funktioniert, wie Röntgenstrahlen entstehen und wie das Fernsehen zustande kommt? Nicht einmal ein Promille der Bevölkerung! Aber alle wissen, daß es Strahlen, Elektrizität, Schwerkraft usw. gibt. Wir können einige ihrer charakteristischen Eigenschaften beschreiben, sind jedoch nicht imstande, sie ihrem innersten Westen nach zu begreifen, obwohl sie für unsere physische Existenz unentbehrlich sind.
Oder denken wir an das irrationale Element »Wahrheit«. Was für einen Unterschied macht es in unserem täglichen Leben aus, ob wir es mit der ungeschminkten Wahrheit zu tun haben oder mit einer verschleierten Wahrheit, die zu Mißdeutungen führt? Wir glauben zu wissen, daß es »die Wahrheit« nicht gibt. Das genügt uns zumeist. Kommen wir jedoch plötzlich und auf unerklärliche Weise mit Verstorbenen in Kontakt, so erwarten wir, daß sie uns auf der Stelle alles, was bisher unbegreiflich war, begreiflich machen: den Sinn des Lebens, das Leben nach dem Tode, den Lauf der Welt. Verlangen wir da nicht etwas zuviel von den Jenseitigen – und von uns? Wenn die Verstorbenen nach dem unerläßlichen »Familienklatsch« wirklich anfangen, uns einen Eindruck von ihrer Sphäre zu vermitteln, runzeln wir doch schon die Stirn, weil uns die Sache zu schwierig zu werden scheint und unser bisheriges Weltbild durcheinanderzubringen droht. Denn: Wir denken zwar gern, aber wir denken nicht gern um. Zum Umdenken fordern uns die Botschaften jedoch heraus, wenn es etwa gleich zu Beginn einer Lektion heißt: »Es gibt im Grunde gar kein ›Jenseits‹. Auch dies ist ein Teil des einen großen Universums.«
Ich habe oft erlebt, daß Trauernde, die ihren Trennungsschmerz hinausschreien, von dem verstorbenen Angehörigen mit den Worten getröstet wurden: »Aber ich bin doch gar nicht fortgegangen. Wir sind doch eigentlich gar nicht getrennt.«
Es ist ein Universum, doch unsere normalen erdgebundenen Sinne erlauben uns nur, ein winziges Teilchen des ganzen Spektrums zu begreifen. Wenn wir in die Welt hinter dem Tode eingehen, begeben wir uns an keinen anderen Ort. Wir begeben uns nur auf eine andere Bewußtseinsebene, auf der wir lernen, mehr von der ganzen Wirklichkeit zu verstehen.
Richard M.
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