Bericht vom Leben nach dem Tode
bekanntgeben. Es wird sich ein wahrer Sturm erheben. Man wird sie des Betruges bezichtigen, und man wird versuchen, sie unmöglich zu machen, aber sie soll keine Angst haben. Und ich weiß, sie ist standhaft genug, den Pakt nicht zu brechen, den wir vor meinem Tod eingegangen sind. Ich bin überzeugt, sie wird glücklich sein, von mir zu hören, denn wir beide haben nie geglaubt, daß es möglich sein könnte. Und sagen Sie ihr, nach der Entzifferung des Textes möge sie einen Tag, möglichst in allernächster Zeit, nennen, an dem sie selbst an einer Séance teilnehmen kann. Sie soll mir dann ein paar Fragen beantworten, damit ich weiß, ob sie mich verstanden hat. Dann werde ich den Code entschlüsseln und die eigentliche Botschaft nennen, die ich ihr senden will. Für diesmal will ich nicht mehr sagen.
Kein Wunder, daß alle, die das hörten, etwas verwirrt waren. Komplizierter ging es wirklich nicht. Aber was blieb uns anderes übrig, als genau nach Houdinis Anweisungen zu verfahren?!
Am folgenden Tag begab sich Mr. Fast und Mr. John W. Stafford, Mitherausgeber des Scientific American , in die Payson Avenue 67 zu der ihnen bis dahin unbekannten Mrs. Houdini. Sie las das Protokoll und den Codetext aufmerksam durch und sah dann die beiden Herren mit großer Bewegung an. »Es ist alles richtig«, sagte sie – und nachdem sie einen Augenblick nachgedacht hatte, fragte sie lächelnd: »Sagte er ›Rosabelle‹?«
Sie konnte es nicht mehr erwarten, mit ihrem Mann zu sprechen, und da sie nach einem Sturz in der vorangegangenen Woche noch nicht wieder laufen konnte, bat sie die Besucher, Mr. Ford und ein paar Gäste als Zeugen schon anderntags zu ihr zu bringen.
An der Séance in Mrs. Houdinis Wohnung nahmen sieben Personen teil. Außer der Gastgeberin und mir waren drei Herren meiner Houdini-Experimentiergruppe anwesend und zwei persönliche Bekannte von Mrs. Houdini. Kaum war ich in Trance, meldete sich Fletcher:
»Derselbe Herr wie neulich abend ist hier und bittet mich zu sagen: ›Hallo, mein Schatz.‹ Er wird heute den Codetext dechiffrieren, aber zuvor soll Bess ihm sagen, ob sie soweit alles verstanden hat.«
Mrs. Houdini sagte: »Ja, alles!«
Fletcher darauf: »Er lächelt beruhigt und sagt, nun könne er fortfahren. Er bittet Bess, ihren Trauring abzuziehen und ihm zu sagen, was ›Rosabelle‹ bedeute.«
Mrs. Houdini streifte den Ring ab, hielt ihn vor sich und sang leise:
Rosabelle, sweet Rosabelle,
I love you more than I can tell;
O’er me you cast a spell,
I love you, my Rosabelle!
Als sie geendet hatte, sagte Fletcher: »›Ich danke dir, mein Schatz‹, läßt er Bess ausrichten. ›Weißt du noch: Dieses Lied sangst du vor vielen Jahren in unsrer ersten gemeinsamen Show.‹«
Mrs. Houdini vermochte vor Ergriffenheit nur zu nicken.
»Und jetzt«, ließ sich Fletcher wieder vernehmen, »möchte er etwas von Bess wissen, was ihm außer ihr kein anderer Mensch auf der Welt sagen kann. Er macht eine Geste, als ziehe er umständlich einen Vorhang auf. Sie sollen ihm sagen, was er damit meint.«
Mrs. Houdini antwortete, ohne überlegen zu müssen, auf Französisch: »Je tire le rideau comme ça.« (»So ziehe ich den Vorhang auf.«)
Es handelte sich offenbar wieder um eine Erinnerung an einen gemeinsamen Auftritt in ihrer Frühzeit. Nun endlich sah Houdini bestätigt, daß tatsächlich eine Verbindung zwischen ihm und seiner Frau zustande gekommen war, und zögerte nicht länger, uns die eigentliche Botschaft zu entschlüsseln. Er erklärte:
»Der eigentliche Codetext beginnt mit dem Wort nach ROSABELLE und umfaßt neun Wörter. Das zweite Wort heißt ANSWER ; der zweite Buchstabe im Alphabet ist B. Das nächste Wort ist TELL ; der dritte Buchstabe nach B ist E. Damit haben wir die erste Silbe: BE…«
Das war aber erst der Anfang. Die Dechiffrierung wurde nun für den Nichteingeweihten immer komplizierter – besser gesagt: es wurde immer höhere Mathematik –, und es genügt an dieser Stelle vielleicht, wenn ich darauf verweise, wo man die exakte vollständige Aufschlüsselung nachlesen kann, 23 und nun gleich zum Endergebnis komme. Houdini sagte abschließend:
Die Botschaft, die ich meiner Frau senden wollte, lautet: ROSABELLE BELIEVE ! (»Rosabelle, glaube!«)
Ich habe, als ich noch bei euch war, alles drangesetzt, zu beweisen, daß ein Fortleben nach dem Tode nicht möglich sei. Ich weiß jetzt, daß ich unrecht hatte, und würde das, was ich getan habe, gern
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