Bericht vom Leben nach dem Tode
auf mich nehmen. Es handelt sich um eine meiner Lieblingsstellen, eine Passage aus James’ Erörterung religiöser Grundeinstellungen:
»Es gibt einen nur religiösen Menschen bekannten Gemütszustand, in welchem der Wille, sich selbst zu behaupten und durchzusetzen, der Bereitschaft gewichen ist, zu schweigen und ein Nichts in den Fluten und Wasserbächen Gottes zu sein. In dieser Gemütsverfassung ist das, was wir am meisten fürchteten, für uns zur Erlösung geworden, und die Stunde unsres moralischen Todes hat sich in die Geburtsstunde unsrer Seele verwandelt. Die Zeit der Spannung in unsrer Seele ist vorüber; sie ist dem Zustand glücklicher Ruhe, tiefbefriedigten Aufatmens und dem Gefühl der Ewigkeit gewichen, das keine Angst um eine drohende Zukunft mehr kennt. Die Furcht wird nicht nur unterdrückt wie durch bloße Moralität, nein, sie ist vollkommen getilgt und ausgerottet… Das religiöse Gefühl ist also eine positive Erweiterung des Lebenskreises des Menschen. Es verschafft ihm eine neue Machtsphäre… Wenn die Religion irgendeine besondere Bedeutung für uns hat, so ist es, meines Erachtens, diese Erweiterung unserer Gefühlswelt, diese enthusiastische Hochstimmung in solchen Fällen, da die Moral allein höchstens ihr Haupt neigt und sich fügt. Sie sollte nichts Geringeres bedeuten als dieses neue Reich der Freiheit, in dem es keinen Kampf mehr gibt, wo die Musik der Sphären in unserem Ohr tönt und Güter der Ewigkeit sich unseren Blicken darbieten.« 24
Natürlich sind nicht alle Ausführungen von James so lyrisch; er ist ja von Haus aus Anatom und Laboratoriumspsychologe. Eine für ihn typischere Bemerkung findet sich in seinen Harvard-Vorlesungen über Unsterblichkeit. Hier räumt er eindeutig ein, daß Denken eine Hirnfunktion ist. Daß dieses in irgendeiner Weise mit der Unsterblichkeitsthese kollidieren könne, verneint er: »Wenn auch unser Bewußtsein, wie wir es jetzt verstehen, genaugenommen die Funktion eines vergänglichen Gehirns sein mag, ist es doch keineswegs ausgeschlossen, daß das Leben fortdauert, wenn das Gehirn selbst tot ist.« Er fährt fort zu erklären, daß die Natur viele Beispiele einer produktiven Funktion, die mit anderen Funktionen kombiniert ist, liefert:
»Der Drücker einer Armbrust hat eine auslösende Funktion. Er hebt das Hindernis auf, das die Sehne festhält, und läßt den Bogen in seine ursprüngliche Form zurückschnellen… Die Tasten einer Orgel haben nur eine transmissive, also eine Weiterleitungsfunktion. Die Töne der verschiedenen Pfeifen entstehen durch die hindurchstreichenden schwingenden Luftsäulen. Aber die Luft wird nicht in der Orgel hervorgebracht. Die Orgel selbst, im Unterschied zum ›Windkasten‹, ist nur ein Apparat, um die Luft durch diese bestimmten Formen in die Umwelt hinauszusenden… Wenn wir das Bewußtsein eine Funktion des Gehirns nennen, so dürfen wir dabei nicht nur an die Funktion des Hervorbringens denken, sondern müssen auch die des Auslösens und Durchlassens in Betracht ziehen.«
James meinte, daß das Gehirn möglicherweise wie ein Prisma wirken und Strahlen durchlassen bzw. brechen könne. »Wie auch immer: Unsere Abhängigkeit vom Gehirn in diesem Leben würde keineswegs ein unsterbliches Leben ausschließen.« Und an seine Zuhörer und Leser gewandt: »Sie dürfen an Unsterblichkeit glauben, ob Sie nun von dieser Erlaubnis Gebrauch machen wollen oder nicht.« 25 Ich habe das immer als Aufforderung betrachtet, die Intelligenz meines Gehirns lieber zur Erweiterung meines Bewußtseins zu nutzen, statt die Möglichkeit einer solchen Erweiterung auszuschließen.
Seine endgültige Meinung über Unsterblichkeitserfahrungen äußerte James in einem Artikel im American Magazine im letzten Jahr vor seinem Tode. Er bezog sich darin auf einige der Höhepunkte seiner fünfundzwanzig Jahre langen Erfahrung als Parapsychologe. »Ich möchte vor allem die Alltäglichkeit dieser Phänomene belegen«, schrieb er. »Ich werde immer wieder gefragt, was man von dieser oder jener ›außergewöhnlichen‹ Geschichte denken soll, denn die Irrtumsquellen bei irgendwelchen Beobachtungen seien selten vollständig eruierbar. Aber schwache Stengel machen starke Bündel, und wenn die Geschichten gewisse Übereinstimmungen zeigen, die alle in eine bestimmte Richtung weisen, bekommt man das sichere Gefühl dafür, zu erkennen, ob man in der unmittelbaren Nähe von echten Phänomenen ist.«
Er bestätigte das zweifelsfreie
Weitere Kostenlose Bücher