Bericht vom Leben nach dem Tode
optische Erscheinungen, die ja zumeist stumm sind, also nichts tatsächlich bezeugen bzw. berichten.
Ich möchte hier jedoch – wie gesagt, mit allen Vorbehalten – ein eigenes Erlebnis berichten:
Vor einer Reihe von Jahren war ich sehr krank. Die Ärzte wußten, daß eigentlich keine Hoffnung mehr war, aber sie taten selbstverständlich weiterhin alles, was in ihrer Macht stand. Man brachte mich in eines der sogenannten Sterbezimmer des Krankenhauses von Coral Gables, Florida, und meinen Freunden wurde mitgeteilt, daß ich die Nacht wahrscheinlich nicht überleben werde. Wie aus weiter Entfernung, ohne etwas anderes als eine leichte Neugier zu empfinden, hörte ich einen der Ärzte einer Schwester zuflüstern: »Geben Sie ihm eine Spritze, warum soll er es nicht leichter haben!« Ich ahnte, was er mit »es« meinte, aber ich hatte keine Furcht. Ich überlegte nur, wielange das Sterben wohl dauern würde.
Wenige Augenblicke später schwebte ich über meinem Bett. Ich konnte meinen Körper liegen sehen, aber er interessierte mich sowenig wie irgendein anderer Gegenstand im Zimmer. Ich empfand nichts als Frieden, ein Gefühl, daß nun alles gut sei. Dann fiel ich in eine zeitlose Leere. Als ich mein Bewußtsein wiedererlangt hatte, schwebte ich durch den Raum, schwerelos und körperlos. Und doch war ich »ich selbst« und befand mich in einem grünen, rings von Bergen umgebenen Tal, das in Licht und Farben von unbeschreiblicher Leuchtkraft getaucht war. Von überall her kamen Leute auf mich zu, Menschen, die ich gekannt und tot geglaubt hatte. An viele hatte ich seit Jahren nicht mehr gedacht, aber jeder, den ich einmal gern gehabt hatte, schien zu meiner Begrüßung gekommen zu sein. Alle waren mehr durch Persönlichkeitsmerkmale als durch ihr Äußeres wiederzuerkennen. Ihr Alter hatte sich verändert. Einige, die als ältere Menschen gestorben waren, erschienen jetzt jung, andere, die als Kinder dahingeschieden waren, begrüßten mich als Erwachsene.
Ich war schon oft in fremde Länder gereist und dort von Freunden in Empfang genommen worden, die es sich nicht nehmen ließen, mir die Sehenswürdigkeiten ihrer Heimat zu zeigen. Genauso war es jetzt. Doch nie zuvor war mir ein so überaus herzlicher Empfang bereitet worden. Alles, was mich, ihrer Meinung nach, interessieren konnte, wurde mir gezeigt, und meine Erinnerung an all das ist mir so deutlich geblieben wie meine Erinnerung an die schönsten irdischen Gegenden, die ich gesehen habe: Die Schönheit eines Sonnenaufgangs, von einem Gipfel der Schweizer Alpen betrachtet, die Blaue Grotte von Capri, die Heiligtümer Indiens, sind meinem Gedächtnis nicht stärker eingeprägt worden als die spirituelle Welt, in der ich, wie ich wußte, nun weilte.
Etwas hat mich überrascht: Einige Leute, die ich zu sehen erwartet hätte, waren nicht da. Ich fragte nach ihnen. Doch im gleichen Augenblick schien sich ein dünner, durchsichtiger Film über meine Augen zu legen. Das Licht wurde schwächer, und die Farben verloren an Leuchtkraft. Diejenigen, mit denen ich gerade gesprochen hatte, konnte ich nicht mehr erkennen, aber wie durch einen Nebel sah ich jetzt die anderen, nach denen ich gefragt hatte. Auch sie waren wirklich, doch als ich sie anblickte, spürte ich, wie mein Körper schwerer wurde; irdische Gedanken gingen mir durch den Sinn. Mir war klar, daß ich eine niedrigere Sphäre vor mir sah. Ich rief die Freunde beim Namen; sie schienen mich auch zu hören, aber ich konnte nicht verstehen, was sie antworteten. Dann war alles vorbei. Ein sanftes Geschöpf, das wie ein Symbol ewiger Jugend aussah, aber Kraft und Intelligenz ausstrahlte, stand neben mir. »Mach dir keine Sorgen um sie«, sagte es. »Sie können hierherkommen, wann immer sie wollen, sofern sie es mehr als alles andere wünschen.«
Übrigens herrschte um mich herum große Geschäftigkeit. Alle waren unaufhörlich mit geheimnisvollen Besorgungen unterwegs und schienen sehr glücklich zu sein. Einige, mit denen ich früher durch enge Bande verbunden gewesen war, zeigten sich hier nicht sonderlich an mir interessiert. Dafür wurden andere, die ich nur flüchtig gekannt hatte, jetzt meine Gefährten. Ich erfuhr, daß dies richtig und natürlich sei. Hier bestimme das Gesetz der Geistesverwandtschaft unsere Beziehungen.
Irgendwann – ich hatte keinerlei Zeitgefühl mehr – fand ich mich vor einem blendend weißen Gebäude stehen. Als ich eingetreten war, bedeutete man mir, in dem riesigen Vorraum zu
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