Berichte aus dem Christstollen
kann unmöglich von Menschen gemacht sein. Gott hat es entworfen. Und er ist ein blinder Hufschmied auf LSD . Doch selbst bei solch demütiger Einsicht will man die Hände zum Himmel strecken und fragen: Herr, warum muss Dein Kaminbesteck so hässlich sein?
Ich fuhr in die Stadt und suchte dort weiter. Ich hoffte darauf, eine Art «WoK» zu entdecken, also ein riesiges «World of Kaminbesteck», in dem auf vier Etagen für jeden Geschmack etwas dabei sein würde; in allen Preisklassen und für Italiener geeignet, die in ihrem Ofen nicht nur Holz, sondern auch alle möglichen Baumaterialien und recycelbaren Restmüll verheizen. Schließlich muss man den Geschmack des zu Beschenkenden grundsätzlich bei der Auswahl eines Präsentes berücksichtigen. Ich fand aber nichts, das ich gleichzeitig für abscheulich und hochwertig genug befand, um es Antonio zu schenken.
Schließlich bestellte ich das Modell «Harmony 3 ». Es kostete 67 , 20 Euro und wurde noch vor Weihnachten geliefert. Schön blöd. Zwei Minuten nachdem ich die Bestellung aufgegeben hatte, klingelte nämlich das Telefon. Meine Schwiegermutter Ursula war dran. Sie teilte mit, dass es Antonio gutgehe, er sei unverletzt, aber natürlich schockiert.
«Warum? Was ist denn passiert?», fragte ich besorgt.
Ursula berichtete, dass Antonio, grenzenlos begeistert von seinem Ofen, diesen bei offener Kamintür mit Ethanol zu betreiben versucht habe. Dabei sei es erst zu einer Verpuffung und in deren Folge zu einem bemerkenswerten Hüttenbrand gekommen, der nicht nur das Häuschen, sondern auch die Thujenhecke der Nachbarn weitgehend vernichtet habe. Antonio sei ebenso unverletzt wie untröstlich, aber fest entschlossen, seine Gartenlaube im Sommer wieder aufzustellen.
Gut. Dann bekommt er das Kaminbesteck eben im nächsten Jahr. Für kommende Woche habe ich im Baumarkt einen Feuerlöscher gekauft. Den kann er immer gebrauchen.
Weihnachtswünsche
Jetzt hat Sara auch noch damit angefangen. Die Kinder machen das schon seit Jahren. Aber dass eine erwachsene Frau ihre Wünsche mit Dringlichkeitssternchen versieht, macht mir Sorgen. Früher haben sie die Weihnachtswünsche lediglich wie eine Hitliste notiert: oben der große, der wichtige Wunsch, dahinter in absteigender Reihenfolge die weiteren Wünsche, weit unten auch mehr oder weniger ernsthafte Streichkandidaten wie «Früchtetee» oder «Crackpfeife». Und nun haben die Bestellungen also Sternchen.
Nick gab seinen Wunschzettel Ende November ab. Da liegen in den Zeitungen dicke Werbeheftchen der Spielzeuggeschäfte und -hersteller. Für die erste Fassung seines Wunschzettels verwendete Nick eine Seite meines A 2 -Schreibtischunterlagenblocks und gestaltete eine gigantische Collage. Er schnitt alles aus dem Spielzeugprospekt aus, was er unter dem Weihnachtsbaum liegen sehen wollte, und klebte es auf den Bogen, dann malte er Prioritätssterne daran. Der «Millennium Falke» von Lego erhielt zehn Sternchen. Insgesamt zählte ich 41 Wünsche mit summa summarum 253 Sternen, wobei nicht ganz klar war, wie sich ein Zehn-Sterne-Geschenk dringlichkeitsmäßig von einem mit acht Sternen unterscheidet, zumal Nick fünfzehn Geschenke mit zehn, dazu acht mit acht und nur drei mit einem Stern versah. Unter den Ein-Sterne-Gaben befand sich eine Saftpresse.
«Was bitte schön willst du mit einer Saftpresse?», fragte ich, nachdem er sein Werk auf meinem Schreibtisch abgeliefert hatte.
Nick sagte: «Meinen eigenen Saft pressen. Privatsaft. In meinem Zimmer.»
Dann ging er ebendorthin, um mit seiner neuen Hamsterin (er hat sie seit Oktober. Sie heißt Hämmi und ist die zweite Nachfolgerin von Gimli) einen Actionfilm zu drehen, der davon handelt, dass Hämmi aus einem Gefängnis ausbricht, ziellos durch Nicks Zimmer läuft und schließlich von einem als Darth Vader verkleideten Jungschauspieler mit einer Wasserpistole angeschossen wird. Am Ende sitzt Hämmi mit pochendem Herzchen in ihrem Käfig und guckt wie Claus Kleber kurz vorm Wetter.
Ich verwarf 35 Wünsche meines Sohnes, welcher daraufhin eine verkürzte Liste vorlegte, die nur mehr 18 Posten umfasste, von denen vier mit zehn Sternchen garniert waren. Ich besuchte meine Tochter, um auch dort einen Wunschzettel abzuholen. Der enthielt fünf Positionen, darunter ein eigenes Telefon. Das fand ich komisch, denn Carla verbringt viel Zeit bei Facebook. Ich dachte, das Telefon sei bei ihr und ihren Freundinnen nicht mehr en vogue. Sie erklärte mir, dass sie das
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