Berichte aus dem Christstollen
dass ich falschlag. Wir werden Plätzchen backen, wir werden in Geschenkpapier wühlen wie Dagobert Duck im Zaster, wir werden eine Gans essen, und auch der Baum ist schon so gut wie geschmückt.» Ich musste diese Läuterung nur überzeugend klingen lassen, und schon war ich unbeschädigt aus der Nummer wieder raus. Vom Saulus zum Paulus und wieder zurück in nur sieben Tagen. Das soll mir mal einer nachmachen.
Auf dem Weihnachtsmarkt drängte ich zunächst zum Crêpes-Stand, was natürlich ein Fehler war, wenn auch ein absichtlicher. Diese Weihnachtsbuden-Crêpes sind nämlich meistens scheußlich. Ich glaube, das liegt am Teig. Man benötigt für anständige Crêpes Eier, Milch, Mehl und Butter. Auf den Weihnachtsmärkten wird vielfach die Butter durch Sonnenblumenöl ersetzt, die Milch durch Wasser und die Eier durch kriminelle Energie. Die Mehlwasserpampe wird zudem nicht lang genug gebacken, und schließlich bekommt man etwas auf die Pappschale geklatscht, das aussieht wie eine vom Laster überfahrene Nordseequalle. Nicht einmal Nick schmeckte es, und das bedeutet in diesem Zusammenhang eine Menge. Er war entsetzt, aber ich gab mich plangerecht begeistert.
Dann drückten wir uns zwischen den Buden entlang, zwischen Erzgebirgsschnitzereien, Glasmännlein und Honigwachskerzen, die man nicht essen kann, was Nick maßlos enttäuschte. Aus Lautsprechern eierte schauderhafte Musik, und an den Schuhsohlen klebte mit Ketchup und Waffelresten durchwirkter grauer Schneematsch. Aber ich jauchzte wie ein schwäbischer Blasengel.
Meine Kinder zeigten sich zunehmend genervt von dem ganzen Betrieb und der Tatsache, dass das Warenangebot des Weihnachtsmarktes kaum Überschneidungen zu ihren Wunschzetteln aufwies. Carla und Nick machen sich nun einmal wenig aus zusammengelöteten Clowns, Hüttensocken und Brennnesseltee. Sie begannen zu murren. Ich diente ihnen Lodenmützlein, Nussknacker und fränkische Wurstspezialitäten an, aber sie lehnten ab.
Nachdem wir gut zwanzig Minuten am Glühweinstand neben einer angeheiterten Busbesatzung aus Altötting verbracht hatten, wollten die Kinder nach Hause. Ich sagte mein Sprüchlein auf und schmetterte, dass dieser Weihnachtsmarkt mir endlich die Augen geöffnet habe. Ja, Weihnachten sei toll, und wir müssten es unbedingt wie immer feiern und so weiter. Carla murmelte etwas von «Scheißkommerz» und dass dieser ganze Stress nicht auszuhalten sei. Aber ich sprach ein Machtwort.
Wir machen jetzt alles wie immer. Mit Gebäck und Baum und Bescherung. Auch wenn ich der Einzige bin, der dazu noch Lust hat. Basta.
Showdown im Advent
Vor uns lagen zwei Einladungen aus der Nachbarschaft. Und eine schwere Entscheidung. Wo sollten wir hingehen? Zur Adventsparty bei Dattelmanns oder zum Ehepaar Schenk? Ich mag die Schenks. Nette kinderlose Leute, die gerne reisen, sich aber nicht mit Dias aufdrängen. Außerdem kochen sie gut. Und sie spielen auf ihren Einladungen leise Musik, die nichts mit Weihnachten zu tun hat. Am liebsten würde ich bei ihnen einziehen. Ich habe Sara schon gefragt. Sie hat auch im Prinzip nichts dagegen, aber Schenks sind eben viel verreist, und dann gibt es nichts zu essen. Also bleibe ich notgedrungen bei meiner Familie.
Mit Dattelmanns ist es anders. Ich habe Angst vor Ulrich Dattelmann. Ich habe schon mal von ihm erzählt. Er ist der Chef der Schulpflegschaft, und er teilt die anderen Eltern zu Frondiensten ein. Wenn man nicht auf seiner Adventsparty erscheint, kann es sein, dass man beim Sommerfest zur Strafe zwei Stunden lang bei 40 Grad im Schatten die Bälle aus der Torwand fummeln oder 3000 Luftballons aufpusten muss.
Die Adventspartys der Schenks und der Dattelmanns fanden erstmals gleichzeitig statt. Früher hatten sie sich terminlich noch abgesprochen. Dann feierten die einen am ersten und die anderen eben am dritten Advent. Das war gut, denn das Publikum überschneidet sich weitgehend, und niemand musste sich für oder gegen die Schenks oder die Dattelmanns entscheiden.
Im ersten und zweiten Jahr hatten die Schenks eindeutig die Nase vorn: Bei ihnen gab es die bessere Musik und wunderbares Essen. Insbesondere die Gulaschsuppe wurde allgemein hochgelobt. Im dritten Jahr haute Ulrich Dattelmann dann plötzlich ein Gulasch raus, dass uns allen die Spucke wegblieb. Das war ein regelrechtes Gulasch-Donnerwetter. Jedenfalls gab es zwei Wochen später bei Schenks kein Gulasch mehr, sondern eine Kartoffelsuppe.
Dattelmann arbeitete auch an der Musik.
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