Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)
Maßnahmen.
Erst nach der Kapitulation in Stalingrad und der Ausweitung des alliierten Bombenkriegs wurden Mobilisierungsanstrengungen unternommen, die der Bevölkerung der Reichshauptstadt nahebrachten, was es bedeutete, in einem »totalen Krieg« »Heimatfront« zu sein. Zu den administrativen Maßnahmen der letzten beiden Kriegsjahre zählten die »Auskämmaktionen« in Behörden und Betrieben, die von Bemühungen um die Durchsetzung einer Arbeitsdienstpflicht für Frauen begleitet wurden. Der Demonstration von Einsatzbereitschaft und Geschlossenheit der kämpfenden »Volksgemeinschaft« dienten die großen Kundgebungen in der ersten Hälfte des Jahres 1943 und nach dem Hitler-Attentat am 20. Juli 1944. Auf ihnen wurde die »Heimatfront« heroisiert, um sie wie die militärische Front in die Pflicht nehmen zu können. Die Zivilisten wurden wie die Soldaten zum Hass gegen alle Feinde Deutschlands aufgestachelt und vor die Scheinalternative gestellt, für den »Endsieg« weiterzuarbeiten und zu kämpfen oder der sicheren Ausrottung entgegenzugehen. Dieselbe Funktion erfüllte der offizielle Totenkult, der die »Volksgenossen« und »Volksgenossinnen« dazu bringen sollte, den zahllosen Opfern des Krieges durch den Einsatz für den »Endsieg« einen Sinn zu geben. Auch das Versprechen der sozialen Geborgenheit in der »Volksgemeinschaft«, das die Bemühungen der HJ um die Arbeiterjugend und die intensive Betreuung der Ausgebombten einlösen sollten, zielte letztlich auf die Aufrechterhaltung der Kampfmoral und der Leistungsbereitschaft. Komplementär zur Inklusion wurde all jenen, die sich den Mobilisierungsanstrengungen verweigerten, der Ausschluss aus der »Volksgemeinschaft« und damit letztlich ihre physische Vernichtung angedroht.
Selbst wenn einige der genannten Kampagnen ins Leere liefen, spricht doch viel für eine erfolgreiche Mobilisierung der Berliner Großstadtgesellschaft, denn ihre Funktionstüchtigkeit und Leistungsfähigkeit blieben trotz der Ausweitung des Luftkriegs und der sich abzeichnenden Niederlage bis in die letzten Kriegsmonate erhalten.
PD DR. THOMAS SCHAARSCHMIDT
(geb. 1960), Abteilungsleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam.
Der Ablauf der Luftangriffe
Zerstörung
Zwischen März 1944 und April 1945 war Berlin immer schwereren Luftangriffen ausgesetzt. Am 4. März 1944 begann dann auch die US Airforce mit ihren Angriffen. Zuerst war es nur eine kleine Einheit von 31 Flugzeugen, aber die Amerikaner kamen am Tage, und nun wechselten sich britische Nachtangriffe mit amerikanischen Angriffen bei Tag ab. Schon die Nächte zwischen November 1943 und März 1944 waren furchtbar gewesen, aber das nun Folgende war noch weitaus schlimmer. In den ständigen Angriffen bei Tag und bei Nacht wurde die Stadt förmlich zermahlen und sank allmählich in Trümmer. Abgeworfen wurden auch »Wohnblockknacker« groß wie Litfaßsäulen. Sie drangen mit Wucht bis in die Fundamente ein und zerstörten diese, sodass vieles, was scheinbar stehen geblieben war, später nur noch abgetragen werden konnte. Luftminen, Sprengbomben und »Wohnblockknacker« rissen die Häuserwände auf und deckten die Dächer ab, zerstörten die Fundamente und brachten Wände aus dem Lot; Brandbomben, Brandflaschen sowie Phosphorbomben und -kanister entzündeten alles Brennbare. 8 Die Zahl der Flugzeuge, die die Amerikaner einsetzten, wurde immer größer: 610 am 7. Mai 1944, 876 am 21. Juni 1944. 939 Flugzeuge griffen am 3. Februar 1945 an, und bei den beiden größten Angriffen waren es am 25. Februar 1112 und am 28. März 1945 1211 Maschinen.
Am stärksten blieb den Berlinern jedoch der Angriff vom 3. Februar 1945 in Erinnerung, da an diesem Tag die letzten Reste der Bebauung im Zentrum zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor in Trümmer sanken. Mit mindestens 2541 Toten, 714 Vermissten, 1688 Verwundeten und 119 057 Obdachlosen war dies der schwerste Luftschlag, den Berlin über sich ergehen lassen musste. Der Schwerpunkt der Zerstörungen lag in Nord-Süd-Richtung etwa in dem Gebiet zwischen dem Halleschen Tor und der Weidendammer Brücke und in Ost-West-Richtung zwischen Strausberger Platz und Hansaviertel. Das Hallesche Tor diente den amerikanischen Piloten dabei als Orientierungspunkt, von dem aus sie ihren weiteren Kurs bestimmten. In diesem Gebiet befanden sich neben Wohngebäuden, Ministerien und Verwaltungen vor allem zahlreiche Kulturgüter und Baudenkmäler.
Maßnahmen des passiven
Weitere Kostenlose Bücher