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Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)

Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)

Titel: Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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der NS-Geschichte Berlins äußerst wertvollen Bildquellenbestand. Jede Beschäftigung mit den Aufnahmen erfordert jedoch die Berücksichtigung des Kontextes ihrer Entstehung, das heißt die Recherche zu Entstehungs- und Produktionsbedingungen, zur Verwendungs- und Rezeptionsgeschichte und der den Motiven zugrunde liegenden zeitgeschichtlichen Hintergründe.
     
    KLAUS HESSE
    (geb. 1955), Kurator und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Topographie des Terrors, Berlin.

TERROR UND VERFOLGUNG
    Bild 20
    Am 5. April 1933 wurde in dem Viertel östlich des Alexanderplatzes, in dem viele Juden aus Osteuropa wohnten, eine Razzia durchgeführt, die als Medienereignis geplant war. Auf dem Foto ist zu sehen, dass ein Kriminalpolizist, der von Schutzpolizei und SS (am rechten Bildrand) unterstützt wird, einen Mann vor einem Mikrophon verhört. Das Verhör wurde aufgenommen und noch am selben Tag im Radio gesendet. Vier Tage nach dem »Boykott« jüdischer Geschäfte sollte diese Aktion den propagandistischen Beweis erbringen, dass Juden tatsächlich keine Deutschen seien. Deshalb wurden nur Verhöre mit Personen aufgezeichnet, die radebrechten, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache war. Diese Aktion zeigt, dass die Verfolgung von Juden, sogenannten Asozialen sowie Sinti und Roma häufig in aller Öffentlichkeit stattfand, dass sich die Täter sogar an die Öffentlichkeit als Publikum und potentiellen Komplizen wandten.

ENTGRENZUNG UND EINGRENZUNG DER GEWALT
Berliner SA, SS und Polizei (1933–1939)
    Obgleich zur Geschichte von SA und SS, Gestapo, Kriminalpolizei, SD und Ordnungspolizei eine fast unüberschaubare Publikationsfülle vorliegt, wurden die Berliner Polizei und SS zwischen 1933 und 1939/45 von der NS-Forschung kaum beachtet und vorrangig unter dem Blickwinkel der reichsweiten Judenverfolgung untersucht. Vor allem im überregionalen Vergleich wird aber sichtbar, dass die verschiedenen Instanzen auf Reichs-, Landes- und Stadtebene in Berlin kulminierten und zu strukturellen und personellen Spezifika in der Reichshauptstadt führten. Eines davon ist die Institution des Berliner Polizeipräsidenten, die sowohl Bereiche der Sicherheitspolizei mit der politischen Polizei und der Kriminalpolizei vereinte als auch Bereiche der Ordnungspolizei mit denen von Schutz- und Verwaltungspolizei. Von 1936 an lagen die Kompetenzen von Gestapo und Kripo bei den nach und nach installierten Inspekteuren der Sicherheitspolizei (IdS), die der Schutzpolizei und Gendarmerie dagegen beim Pendant der Ordnungspolizei (IdO). 1 Hier stehen die Interdependenzen der staatlichen Exekutive mit SA und SS auch mit Bezug auf das KZ-System im Mittelpunkt des Beitrages. Ziel ist es, die Spezifika der zentralen und regionalen Ordnungen für Berlin herauszuarbeiten.

Resümee
    Trotz Analogien zwischen der Früh- und der Endphase nationalsozialistischer Herrschaft in Berlin war das Machtgefüge spätestens seit 1939 durch einen zentralen Anweisungsapparat geprägt, in dem die Regionalinstanzen von SA, SS und Polizei als verlängerter Arm der Reichsbehörden agierten. Dies schließt zwar Handlungsfreiräume in den einzelnen Ressorts nicht aus, ist aber kaum mit der Phase der Machtsicherung und des Aushandelns zwischen 1933 und 1936 vergleichbar. Die strukturelle Transformation war bis 1939 weitgehend abgeschlossen. Obwohl dies kein Alleinstellungsmerkmal Berlins darstellte, war doch die dreifache Überlagerung von Stadt-, Landes- und Reichsinstanzen singulär.
    Der NS-Terror in Berlin fand in mehreren Wellen statt und lässt sich übergreifend in fünf Phasen einteilen: 1933/34 überzogen vor allem Gliederungen der SA und SS, aber auch der Polizei Berlin mit Willkür und Mordexzessen wie der »Köpenicker Blutwoche« im Juni 1933. Die Kanalisierung der Gewalt seit Sommer 1934, die auch im Kontext der Röhm-Morde zu sehen ist, lässt sich symptomatisch an den Veränderungen im Gestapo-Gefängnis und KZ Columbia ablesen. Mittels einer gezielten Deeskalationsstrategie versuchten Partei und Staat Gewaltskandale zu vermeiden und den Terror von der Straße in geschlossene Räume zu transferieren. Die dritte Phase ist von einer Machtkonsolidierung und -kumulation und einer Verreichlichung von SS und Polizei geprägt. Am Ende stand die Fusion von Politischer Polizei und Kriminalpolizei zur Sicherheitspolizei in Abgrenzung zur Ordnungspolizei, was mit einem Machtverlust des Berliner Polizeipräsidenten Graf von Helldorf einherging. In Phase vier schloss sich

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