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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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beschützen würde. Sie hielt es für besser, von einem einzigen Russen als von einer unendlichen Reihe von Soldaten regelmäßig missbraucht zu werden. Wie viele Millionen andere Deutsche war Hillers dabei, sich in dieser Besatzung einzurichten, gegen die sie absolut nichts tun konnte.
    Erst viele Jahre später würden Wissenschaftler versuchen, die Schrecken dieser Zeit
in ihrer Gesamtheit zu rekonstruieren. Im Spätfrühjahr und Frühsommer des Jahres 1945 wurden mindestens 110 000 Frauen im Alter zwischen zwölf und einundachtzig vergewaltigt. Etwa 40 Prozent der Opfer wurden dabei mehrfach missbraucht. Jedes fünfte Vergewaltigungsopfer wurde schwanger. Die Hälfte von ihnen trug ihr Kind aus, die andere Hälfte ließ es oft ohne Betäubung abtreiben. Tausende von Frauen begingen aus Scham oder aus Angst vor weiteren Schändungen Selbstmord. Etwa 5 Prozent aller Berliner Neugeborenen des folgenden Jahres waren »Russenbabys«. In ganz Deutschland waren es zwischen 150 000 und 200 000 Kinder.
    Als diese Kinder im Jahr 1958 Teenager wurden, brach Chruschtschow die sogenannte Berlin-Krise vom Zaun.

KAPITEL 6
Ulbricht und Adenauer: Der Schwanz wedelt mit dem Bären
    Wir sind nun einmal ein Staat, der geschaffen wurde, ohne dass
eine Rohstoffgrundlage bestand und besteht, und der bei offenen Grenzen
den Wettkampf zwischen den beiden Systemen führt. […]
Der konjunkturelle Aufschwung in Westdeutschland, der für jeden Einwohner der
DDR sichtbar war, ist der Hauptgrund dafür, dass im Verlaufe von zehn Jahren
rund zwei Millionen Menschen unsere Republik verlassen haben.
    WALTER ULBRICHT IN EINEM BRIEF
AN MINISTERPRÄSIDENT CHRUSCHTSCHOW
VOM 18. JANUAR 1961 1
     
     
    Die vorgenommene Abtastung zeigt, dass es einiger Zeit bedarf, bis Kennedy seine Position in der Deutschland-Frage deutlicher absteckt und es klar wird, ob die Regierung der USA gewillt sein wird, gegenseitig annehmbare Beschlüsse zu erzielen.
    CHRUSCHTSCHOWS ANTWORTBRIEF AN ULBRICHT
VOM 30. JANUAR 1961 2
    OSTBERLIN
MITTWOCH, 18. JANUAR 1961
    Walter Ulbricht hatte noch nie einen folgenreicheren Brief geschrieben. Obwohl er als GEHEIM eingestuft war, wusste Ulbricht, dass sein Schreiben an Chruschtschow auch von den anderen Mitgliedern der sowjetischen obersten Führung gelesen werden würde. Darüber hinaus würde er von sich aus auch anderen kommunistischen Verbündeten, von denen er hoffte, dass sie in seinem Sinn auf den sowjetischen Parteichef einwirken würden, Kopien zukommen lassen.

    Jedes Wort dieses fünfzehnseitigen Briefs des ostdeutschen Regierungschefs war genauestens überlegt. Nur zwei Monate nach ihrer letzten Begegnung in Moskau hatte Ulbricht erneut das Vertrauen verloren, dass Chruschtschow die Lage in Berlin auf geeignete Weise bereinigen werde. Er lehnte Chruschtschows Bitte um Geduld ab, denn er spürte, dass seine Probleme viel zu schnell wuchsen, als dass man sie aufschieben könnte, bis der Sowjetführer die Möglichkeit fruchtbarer Beziehungen zu Kennedy ausgelotet hatte.
    »Seit dem Auftreten des Genossen Chruschtschow zur Westberlin-Frage im November 1958 sind zwei Jahre vergangen«, beklagte sich Ulbricht. 3 In einem kurzen Zugeständnis gegenüber Chruschtschow erkannte der ostdeutsche Regierungschef an, dass der sowjetische Führer immerhin die Zeit dazu genutzt hatte, noch mehr Staaten davon zu überzeugen, dass »die anomale Lage in Westberlin geändert werden« müsse. Den Großteil des Briefs widmete er dann jedoch der Erklärung, warum man jetzt endlich in Berlin tätig werden müsse und wie man dies tun sollte. Selbst »die Regierungen der NATO-Länder« hätten inzwischen erkannt, dass Verhandlungen »unumgänglich« seien.
    Die »Möglichkeiten« für kommunistische Aktionen seien im kommenden Jahr durchaus gegeben, »da die Adenauer-Regierung in der Zeit der Bundestags-Wahlkampagne nicht an einer Zuspitzung der Lage interessiert ist und Präsident Kennedy im ersten Jahr seiner Präsidentschaft ebenfalls keine Verschärfung der Lage wünscht«.
    Dann listete Ulbricht die »Forderungen der DDR« auf. Er machte Chruschtschow absolut deutlich, was er von ihm im nächsten Jahr erwartete. Dabei wirkte er eher wie der Herrscher als der Beherrschte. Er forderte die »Beseitigung des Besatzungsregimes in Westberlin«, den Abbau und späteren vollständigen Abzug der »ausländischen« – also westlichen – Truppen sowie die Beseitigung westlicher Radiostationen und Spionagedienste mit all ihren subversiven

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