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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Telegramm gleichzeitig Norstads und Clays Planungen abgeschossen. »Ich kann nicht sehen, welcher nationale Zweck durch diesen vorgeschlagenen bewaffneten Blitzangriff erfüllt werden sollte«, schrieb Rusk. Auch Clays nicht ganz so weit gehenden Vorschlag, den Übergang an der Friedrichstraße notfalls durch einen Panzer öffnen zu lassen, werde er noch an diesem Nachmittag mit dem US-Präsidenten besprechen.

    Bild 9
    Panzer der US Army am Checkpoint Charlie, im Hintergrund jenseits der Grenze sowjetische Panzer.

    Angesichts der Wichtigkeit, »die drei Hauptalliierten zusammenzuhalten, scheint es mir durchaus möglich, dass wir uns auch darauf nicht verständigen können«, schrieb Rusk. Er betonte zwar, wie sehr er Clays Rat schätze, wies dann jedoch darauf hin, dass es im Augenblick wichtiger sei, »angesichts der ernsten sowjetischen Bedrohung« die Einigkeit der Verbündeten zu wahren, »während wir gleichzeitig den Druck auf die Sowjets erhöhen, künftig von solchen einseitigen Aktionen abzusehen«.
    Der große General Lucius D. Clay, der Held der Luftbrücke von 1948/49, wurde von Washington kaltgestellt, während sowjetische Panzer gleichzeitig ihre Kanonen auf seine Soldaten richteten.
    Er hatte sich noch nie so ohnmächtig gefühlt.
    DER KREML, MOSKAU
FREITAG, 27. OKTOBER 1961
    Marschall Konew beklagte sich bei Chruschtschow, dass die US-Panzer an der Grenze ihre Motoren angelassen hätten und sich offensichtlich zu einer größeren Operation zu rüsten schienen. Er hatte dem Sowjetführer ja bereits die Beweisfotos von Clays Übungen in den Berliner Wäldern vorgelegt, bei denen Panzer eine Mauerattrappe durchbrochen hatten. Jetzt glaubte er, Chruschtschow sollte darauf vorbereitet sein, dass die Amerikaner versuchen könnten, den sowjetischen Erfolg vom 13. August rückgängig zu machen.
    Chruschtschow, der trotz des immer noch tagenden Parteikongresses das Krisenmanagement persönlich von Moskau aus leitete, hatte bereits angeordnet, dass weitere zweiunddreißig Sowjetpanzer nach Berlin gebracht werden sollten. »Unsere Panzer sollen in einer Nebenstraße in Stellung gehen«, befahl er Konew. »Dort sollen sie ihre Motoren aufheulen lassen. Dieses Geheul soll man dann aufnehmen und durch verstärkte Lautsprecher nach Westen schallen lassen.« 37
    Konew warnte Chruschtschow, dass sich die Amerikaner durch eine solche Aktion herausgefordert fühlen und ihre Panzer »losstürmen« lassen könnten. Er befürchtete offensichtlich, dass der impulsive Sowjetführer sein Blatt überreizen und einen Krieg auslösen könnte.
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte Chruschtschow, »außer natürlich, wenn die Gemüter der amerikanischen Militärs blind vor Hass sein sollten.«

    KABINETTSSAAL, WEISSES HAUS, WASHINGTON, D.C.
FREITAG, 27. OKTOBER 1961, 18 UHR
    Ein Adjutant reichte General Clay eine Kurznotiz, in der er über die zusätzlichen sowjetischen Panzer am Checkpoint Charlie informiert wurde, als er gerade mit Kennedy telefonierte, der in einer Sondersitzung seines Nationalen Sicherheitsrats saß. Inzwischen sah es so aus, als ob ganz Washington sich gegen Clay verschworen hätte, außer vielleicht der US-Präsident, der seine Karten noch nicht aufgedeckt hatte.
    Um den Befürchtungen der Präsidentenberater entgegenzuwirken, versicherte Clay Kennedy, dass die Lage in Berlin unter Kontrolle sei. Er legte die sowjetische Entscheidung, weitere zwanzig Panzer auffahren zu lassen, als Akt der Mäßigung aus, da sie dadurch nur rein rechnerisch den Unterschied zur Zahl der US-Panzer ausgleichen würden.
    Trotzdem waren die Sowjets wegen des Showdowns am Checkpoint Charlie und seiner möglichen Eskalation dermaßen nervös, dass Chruschtschow seine Nuklearstreitkräfte zum allerersten Mal während eines Disputs zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion in höchste Alarmbereitschaft versetzte. 38 Der Sowjetführer konnte sich nicht sicher sein, ob die Dinge nicht doch außer Kontrolle geraten würden, und bereitete sich deshalb auf alle Möglichkeiten vor.
    Clays Sicht war dagegen klar: »Wenn die Sowjets keinen Krieg wegen Westberlin wollen, dann wird auch nichts, was wir tun, ihn auslösen. Und wenn sie ihn wollen, können wir nichts tun, um sie daran zu hindern.« 39 Der General wettete jedoch darauf, dass sie keinen Krieg wollten, und glaubte deshalb, dass die Vereinigten Staaten Stärke zeigen sollten. Allerdings musste diese Entscheidung der Präsident treffen, der seinerseits keinerlei Risiko

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