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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Warschauer Pakts. Über eine schrittweise Kürzung dieses Kontingents um 25 Prozent jährlich hätte Westberlin nach Ablauf von vier Jahren überhaupt keine ausländischen Truppen mehr. Kennedy lehnte den Vorschlag zwei Wochen später, am 17.Juli, ab, aber jeder Zug Chruschtschows untermauerte weiter seine Berlin-Strategie, selbst als er heimlich letzte Hand an die Pläne für Kuba legte. 17
    Die sowjetische Hochseeoperation für Kuba hatte einen so gigantischen Umfang, dass Chruschtschow eigentlich davon ausgehen musste, dass Kennedy und seine Geheimdienste sie entdecken würden. Aber er hatte angenommen, dass es dem Präsidenten an der nötigen Willenskraft mangeln werde, die Aufstellung der Raketen zu stoppen.
    Am 4. September teilte Kennedy ausgewählten Mitgliedern des Kongresses mit, dass die CIA zu dem Schluss gelangt sei, die Sowjets würden Fidel
Castro beim Aufbau seiner Verteidigungskapazität helfen. Noch am selben Abend gab Kennedy eine Presseerklärung mit weitgehend demselben Wortlaut ab und warnte Chruschtschow, dass »die größten Probleme auftreten« würden, falls die Vereinigten Staaten Hinweise auf sowjetische Kampftruppen oder Offensivwaffen entdecken sollten. Der Ton und das Versprechen, hier Pardon zu geben, waren weit resoluter, als Chruschtschow erwartet hatte. 18
    Zwei Tage danach, am 6. September, ließ Chruschtschow den völlig überrumpelten Innenminister Stewart Udall, der sich in der Sowjetunion Stromkraftwerke angesehen hatte, in ein Flugzeug setzen und zu ihm ans Schwarze Meer fliegen. Er diskutierte mit Udall darüber, welche Neuorientierung der Innenpolitik Kennedy mehr Rückgrat geben könnte, auch wenn er einmal mehr seine Überzeugung wiederholte, Kennedy sei generell schwach. »Als Präsident hat er Verstand«, sagte Chruschtschow zu Udall, »aber was ihm fehlt, ist Courage – der Mut, die deutsche Frage zu lösen.« Da die Operation in Kuba bereits weit fortgeschritten war, mahnte er Udall: »Also werden wir ihm helfen, das Problem zu lösen. Wir werden ihn in eine Lage bringen, wo es notwendig ist, sie zu lösen. […] Wir werden Ihre Truppen in Berlin nicht dulden.«
    Chruschtschow sagte zu Udall, um Kennedy bei den Kongresswahlen im November nicht zu schaden, werde er erst anschließend das Thema forcieren. Ohne ein Wort über Kuba zu verlieren, erklärte er, dass die verbesserte sowjetische Position der Stärke bereits das Kräftegleichgewicht verändert hatte: »Es ist schon eine Weile her, dass ihr mit uns wie mit einem kleinen Jungen umspringen konntet – inzwischen können wir euch den Hintern versohlen.« Ein Krieg um Berlin, so Chruschtschow, würde bedeuten, dass es »binnen einer Stunde kein Paris und kein Frankreich mehr gäbe«. 19
    Am 16. Oktober 1962, als die meisten Abschussrampen auf Kuba bereits in Stellung waren, sagte Chruschtschow zu Foy Kohler, Thompsons Nachfolger als Botschafter in der Sowjetunion, dass er sich mit dem Präsidenten auf der UN-Vollversammlung in New York in der zweiten Novemberhälfte treffen wolle, um über Berlin und andere Themen zu sprechen. 20 Bis dahin hätte der sowjetische Führer die strategische Balance bereits erheblich verschoben, indem Moskau erstmals in der Geschichte die Fähigkeit hätte, zuverlässig die Vereinigten Staaten mit Kernwaffen zu treffen. Das würde ihm wiederum eine bessere Position verschaffen, um die gewünschte Lösung für Berlin entweder auszuhandeln oder schlicht durchzusetzen. Chruschtschow sagte seinem neuen Botschafter in den USA, Anatolij Dobrynin, dass Berlin »das Hauptthema in den sowjetisch-amerikanischen Beziehungen« bleibe. 21

    Wie Chruschtschow sich später erinnerte:
    Meine Gedanken gingen in folgende Richtung: Wenn wir die Raketen heimlich installierten und die Vereinigten Staaten erst entdeckten, dass sich die Raketen dort befänden, als diese bereits auf ihr Ziel gerichtet und abschussbereit wären, dann würden die Amerikaner es sich zweimal überlegen, bevor sie versuchten, unsere Einrichtungen mit militärischen Mitteln zu vernichten. Ich wusste, dass die Vereinigten Staaten zwar einige unserer Einrichtungen zerstören konnten, aber nicht alle. Wenn ein Viertel oder auch nur ein Zehntel unserer Raketen erhalten blieb – oder wenn auch nur eine oder zwei große übrig blieben –, dann könnten wir noch immer New York treffen, und dann würde von New York nicht mehr viel da sein. Ich will damit nicht sagen, dass alle Menschen in New York getötet würden – selbstverständlich

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