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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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wiederum den Kern dieser Informationen an Robert Kennedy weitergeleitet. Mit Guthmans Erlaubnis brachte Holeman am 29. April die Möglichkeit eines Treffens ins Gespräch, als er Bolschakow fragte: »Meinen Sie nicht, dass es besser wäre, wenn Sie sich direkt mit Robert Kennedy träfen, damit er Ihre Informationen aus erster Hand erhält?« 15
    Zehn Tage und unzählige Gespräche später merkte Bolschakow, dass etwas im Busch war, als Holeman ihn fragte, ob er ihn zu einem »späten Mittagessen« gegen 16 Uhr begleiten wolle.
    »Warum so spät?«, fragte Bolschakow.
    Holeman erklärte, er habe im Laufe des Tages schon mehrmals versucht, ihn zu erreichen, doch der diensthabende Mitarbeiter habe ihm gesagt, Bolschakow sei in der Druckerei, um die neue Ausgabe seiner Zeitschrift fertigzustellen.
    Nicht lange danach, kaum dass sie sich in die Ecke eines gemütlichen, aber unscheinbaren Restaurants in Georgetown gesetzt hatten, blickte Holeman auf seine Uhr. Auf Bolschakows Frage, ob er denn schon gehen müsse, erwiderte Holeman: »Nein, wir müssen beide gehen. Sie haben um sechs eine Verabredung mit Robert Kennedy.«
    »Verdammt«, sagte Bolschakow und sah sich seinen alten Anzug und
die abgetragenen Manschetten an. »Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt?«
    »Haben Sie Angst?«, fragte Holeman.
    »Keine Angst, aber ich bin auf ein solches Treffen nicht vorbereitet.«
    »Sie sind immer vorbereitet.« Holeman grinste.
    Im Justizministerium vertraute Bobby dem sowjetischen Agenten dann an, sein Bruder sei besorgt, dass die Spannung zwischen den beiden Ländern zum großen Teil auf eine Fehlinterpretation der jeweiligen Intentionen und Aktionen zurückzuführen sei. Durch die Erfahrung in der Schweinebucht habe sein Bruder gelernt, wie gefährlich es sei, aufgrund von falschen Informationen zu handeln. Bobby sagte Bolschakow, sein Bruder habe nach der Schweinebucht einen Fehler gemacht, als er nicht sofort die ranghohen Mitarbeiter entließ, die für die Operation verantwortlich waren. 16
    »Die amerikanische Regierung und der Präsident«, sagte Robert Kennedy, »befürchten, dass die sowjetische Führung die Fähigkeiten der US-Regierung und des Präsidenten selbst unterschätzt.« Die Botschaft, die Bolschakow dem Kreml übermitteln sollte, war klar: Wenn Chruschtschow versuchen sollte, die Entschlossenheit seines Bruders auf die Probe zu stellen, dann blieb dem Präsidenten nichts anderes übrig, als »korrigierende Maßnahmen zu ergreifen« und gegenüber Moskau einen härteren Kurs zu fahren. 17
    Robert Kennedy sagte zu Bolschakow: »Derzeit gilt unsere Hauptsorge der Lage in Berlin. Die Bedeutung dieses Themas mag nicht jedem ersichtlich sein. Der Präsident glaubt, dass weitere Missverständnisse bei unseren Einschätzungen zu Berlin einen Krieg herbeiführen könnten.« Aber gerade wegen der Komplexität der Lage, fügte Robert Kennedy hinzu, wolle der Präsident auf keinen Fall, dass sich das Gipfeltreffen in Wien auf eine Angelegenheit konzentriere, in der es so außerordentlich schwierig sei, Fortschritte zu erzielen.
    Vielmehr wünsche sich der Präsident, vertraute Bobby Bolschakow an, dass Chruschtschow und er das Treffen als eine Gelegenheit nutzten, sich besser kennen zu lernen, sich persönlich näherzukommen und einen Kurs für die weitere Entwicklung ihrer Beziehung abzustecken. Er wolle konkrete Vereinbarungen zu Themen wie dem Atomteststopp erreichen. Im Fall Berlins hingegen halte er es für das Beste, wichtige diplomatische Schritte hinauszuschieben, bis beide Seiten mehr Zeit hätten, sich die Angelegenheit gründlich zu überlegen.
    Für einen Mann, der nur wenige Stunden zuvor von dem Treffen erfahren hatte, wirkte der sowjetische Agent gut vorbereitet. Falls sich die amerikanischen
und sowjetischen Staatschefs träfen, sagte Bolschakow, werde Chruschtschow »substanzielle« Zugeständnisse bei den Atomtests in Erwägung ziehen und darüber hinaus Fortschritte im Laos-Konflikt anbieten. Robert Kennedys eindringliche Forderung, Berlin aus sämtlichen Entscheidungen des Gipfels auszuklammern, kommentierte Bolschakow nicht direkt, was Bobby möglicherweise fälschlich als Einverständnis interpretierte.
    Von Bolschakows Antwort ermutigt, umriss Robert Kennedy eine potenzielle Einigung in der Frage der Atomtests. Die beiden Länder hatten seit 1958 auf unteren Ebenen miteinander verhandelt, waren aber immer wieder an der Frage der Verifizierung gescheitert. Die Vereinigten Staaten hatten

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