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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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erfolglos das Recht gefordert, Anlagen in der Sowjetunion zu inspizieren. Bobby präsentierte ein unilaterales Zugeständnis, nach dem die Vereinigten Staaten die Zahl der Inspektionen auf dem jeweiligen Territorium, die eine seismische Tätigkeit untersuchen sollten, von zwanzig auf zehn halbierte. Voraussetzung für dieses Abkommen sei allerdings, so Bobby, dass keine Seite ein Veto gegen die Schaffung einer internationalen Kommission einlege, die Beschwerden überprüfen konnte. 18
    Hinter Robert Kennedys Vorschlag verbarg sich die wachsende Angst der Amerikaner, dass die Sowjets unterirdisch so tiefe und große Löcher bohrten, dass sie unbemerkt Waffen testen konnten. 19 Moskau hatte sich bislang jedoch nur bereit erklärt, höchstens drei Inspektionen jährlich zu akzeptieren. Darüber hinaus wünschte Moskau, dass jede Überprüfung von einer »Troika« , einem Dreierteam aus Vertretern des sowjetischen Blocks, des kapitalistischen Westens und der Dritten Welt, vorgenommen wurde. US-Unterhändler hatten diese Regelung abgelehnt, weil sie dem sowjetischen Vertreter de facto ein Vetorecht eingeräumt hätte. Robert Kennedy sagte: »Der Präsident möchte nicht das traurige Erlebnis von Chruschtschows Begegnung mit Eisenhower in Camp David wiederholen und hofft, dass das kommende Treffen konkrete Vereinbarungen bringen wird.« 20
    Da er die Rolle des Bittstellers spielte, sagte Bolschakow nichts, was den Justizminister glauben lassen könnte, die Bedingungen des US-Präsidenten seien für Chruschtschow inakzeptabel. Die Sache hatte nur einen Haken: Bolschakow war lediglich ein Überbringer von Nachrichten, der Chruschtschows Denken längst nicht so gut kannte wie Bobby das seines Bruders.
    Der Kontakt zwischen Bolschakow und Robert Kennedy war für die Vereinigten Staaten mit enormen und vielfältigen Risiken verbunden. Bolschakow konnte, ohne es zu wissen, im Namen Moskaus ein falsches Spiel spielen, während
es im Fall Bobbys viel unwahrscheinlicher war, dass er eine Desinformationskampagne betrieb. Selbst wenn er es versucht hätte, so hätte er nicht die nötige Erfahrung in solchen Dingen gehabt. Abgesehen davon wurde Bolschakow so gut wie sicher von FBI-Agenten beschattet. Meldungen der Agenten vor Ort über die Treffen steigerten möglicherweise das Misstrauen, das FBI-Chef J. Edgar Hoover ohnehin gegenüber den Kennedys hegte.
    Schließlich war Bolschakow im Gegensatz zu Robert Kennedy überhaupt nicht befugt, irgendeinen Handel abzuschließen. Und weil John F. Kennedy die Kontakte selbst vor seinen höchsten Kabinettsmitgliedern bis nach dem Gipfeltreffen in Wien geheim hielt, hatte er kein unabhängiges Mittel, Bolschakows Zuverlässigkeit zu überprüfen. Moskau hatte nicht nur die Kontrolle darüber, welche Themen Bolschakow erörtern durfte, es legte auch genau fest, in welcher Weise er darüber sprach. Wenn Robert Kennedy die Rede auf eine Angelegenheit brachte, auf die Bolschakow nicht vorbereitet war, erwiderte der sowjetische Agent, dass er darüber nachdenken und später auf den Justizminister wieder zukommen werde.
    Die wichtigsten Punkte, die Bolschakow aus dem ersten Treffen mit Robert Kennedy melden konnte, waren die Bereitschaft des Präsidenten zu einem Gipfeltreffen, seine Angst, der sowjetische Führer könne ihn für schwach halten, seine Abneigung, über den Status von Berlin zu verhandeln, und sein dringender Wunsch, einen Atomteststopp zu erreichen. Robert Kennedy hingegen war nach dem ersten Kontakt außerstande, seinem Bruder irgendwelche neuen Erkenntnisse über Chruschtschow zu berichten. Gleichzeitig gewann er gar den falschen Eindruck, dass Chruschtschow bereit sei, die Bedingungen seines Bruders zu akzeptieren.
    Nach einem fünfstündigen Gespräch ließ Bobby Bolschakow nach Hause fahren. Da er vor Aufregung nicht schlafen konnte, blieb der sowjetische Funktionär die ganze Nacht auf, bevor er am nächsten Morgen in aller Frühe einen vollständigen Bericht nach Moskau telegrafierte. Über Bolschakow wusste Chruschtschow genau Bescheid, was sich Kennedy von einem Gipfeltreffen erhoffte und welche Befürchtungen er hatte. Umgekehrt hatte der Agent den Präsidenten in der Frage, was die sowjetische Seite zu akzeptieren bereit sei, de facto in die Irre geführt.

    MOSKAU
FREITAG, 12. MAI 1961
    Da Chruschtschow unbedingt eine feste Zusage zu einem Gipfeltreffen in Wien wollte, entsprach er prompt Kennedys Wunsch nach vertrauensbildenden Maßnahmen.
    In Genf einigten sich

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