Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
es ist beendet sein Lebenslauf.
Der Mann ist kaputt. Es wird noch ein anderer Biberkopf gezeigt, dem der alte nicht das Wasser reicht und von dem zu erwarten ist, daß er seine Sache besser macht.
Reinholds schwarzer Mittwoch,
aber dieses Kapitel kann man auslassen
Und wie die Polizei vermutet: »nu haben wir den einen, den andern werden wir auch bald kriegen«, so geschieht es. Nur nicht ganz, wie sie sich denken. Sie denken, den kriegen wir bald. Aber – sie haben ihn schon, er ist durch dasselbe rote Präsidium gegangen, hat andere Zimmer und Hände passiert, er sitzt schon in Moabit.
Denn bei Reinholden geht alles rasch, und der hat bündig Schluß gemacht. Der Junge liebt nicht langes Zappeln. Wissen wir doch noch, wie ers damals mit Franzen gemacht hat; ein paar Tage weiß Reinhold, was der mit ihm spielt, und schon legt er ihn um.
Der Reinhold hat eines Abends nach der Motzstraße gemacht, und dann sagt er, die Mordplakate mit Belohnung hängen an der Litfaßsäule, ich muß was fingern und mir erwischen lassen mit falsche Papiere, Handtaschenraub oder so was. Gefängnis ist das Sicherste bei dicke Luft. Was auch alles glückt, bloß der feinen Dame haut er gar zu stark in die Fresse. Aber macht nichts, denkt Reinhold, bloß weg von der Bildfläche. Und im Präsidium ziehen sie ihm die falschen Papiere raus, polnischer Taschendieb Moroskiewicz, ab mit dem nach Moabit, die merken im Präsidium nicht, wen sie haben, der Junge hat ja noch nie gesessen, und wer hat gleich jedes Signalement im Kopf. Und in aller Lautlosigkeit geht denn auch seine Verhandlung vor sich, heimlich, still und leise, wie er durchs Präsidium geschlichen ist. Aber weil er ein von Polen gesuchter Taschendieb ist, und son Strolch geht auf die Straße in eine feine Gegend und schlägt mir nichts dir nichts die Menschen nieder und reißt einer Dame die Handtasche weg, das ist ja unerhört, wir leben ja nicht in Russisch-Polen, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, darauf gehört eine exemplarische Strafe, und er kriegt vier Jahr Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust, Stellung unter Polizeiaufsicht und was es sonst alles gibt, der Schlagring wird eingezogen. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, wir machen eine Pause von zehn Minuten, es ist überheizt, bitte währenddessen die Fenster zu öffnen, haben Sie noch was zu sagen?
Reinhold hat natürlich nichts zu sagen, Revision behält er sich vor, er ist froh, daß man so mit ihm redet, hier kann einem nichts passieren. Und nach zwei Tagen ist alles überstanden, alles, alles, und wir sind wieder über den Berg. Verfluchter Mist mit der Mieze und mit diesem Ochsen, dem Biberkopf, aber wir habens doch fürs erste geschafft, was wir wollten, halleluja, halleluja, halleluja.
So weit ist nun alles geschehen, und wie sie Franzen fassen und ins Präsidium fahren, da sitzt also der richtige Mörder, der Reinhold, schon in Brandenburg, und keiner denkt an ihn, und der ist versunken und vergessen, und die Welt könnte untergehen, so leicht würde den keiner ermitteln. Den plagen keine Gewissensbedenken, und wenn es so ginge, wie er es sich denkt, so sitzt er noch heut da oder ist auf Transport entwischt.
Es ist aber in der Welt so eingerichtet, daß die dämlichsten Sprichworte recht behalten, und wenn ein Mensch glaubt, nu ist gut, dann ist noch lange nicht gut. Der Mensch denkt und Gott lenkt, und der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. Wie sie auch den Reinhold erwischen, und wie er bald seinen harten strengen Weg zu gehen hat, will ich gleich erzählen. Aber wen das nicht interessiert, der lasse die nächsten Seiten einfach aus. Die Dinge in diesem Buch Berlin–Alexanderplatz vom Schicksal Franz Biberkopfs sind richtig, und man wird sie zweimal und dreimal lesen und sich einprägen, sie haben ihre Wahrheit, die zum Greifen ist. Aber der Reinhold hat seine Rolle hier ausgespielt. Nur weil er die kalte Gewalt ist, an der sich nichts in diesem Dasein verändert, will ich sie noch in ihrem letzten schweren Kampf zeigen. Hart und steinern werdet ihr ihn bis zuletzt sehen, unbewegt zieht dieses Leben hin, – wo sich Franz Biberkopf beugt und zuletzt wie ein Element, das von gewissen Strahlen getroffen wird, in ein anderes Element übergeht. Ach, es ist leicht zu sagen: wir sind alle Menschen. Wenn es einen Gott gibt, – nicht nur verschieden sind wir vor ihm wegen unserer Bosheit oder Güte, wir haben alle eine andere Natur und ein anderes Leben, in Art und Herkunft
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