Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Flasche, der trinkt, Konrad auch. Es ist nicht möglich, zu türmen, da sind erst jetzt zwei getürmt oder wollten wenigstens türmen, aber da ist nur der eine bis auf die Neuendorfer Straße gekommen und wollte mit einem Fuhrwerk mit, da hat ihn schon die Patrouille gefaßt, der Mensch hat ja ooch so geblutet von den verfluchten Glasscherben, die sie oben auf die Mauern gemacht haben, den haben sie ins Lazarett legen müssen, wer weeß, ob dem seine Hände wieder ganz werden. Und der andere, na, der war schlauer, der hat bloß das Glas gemerkt, und schon ist er hopps wieder runter in den Hof.
»Nee, es ist nicht mit Türmen, Reinhold.« Und da ist Reinhold ganz zerknirscht und weich, und vier Jahr soll er hier noch sitzen, und alles wegen sone Dämelei in der Motzstraße und wegen sone Sau, die Mieze, und dem Ochsen, dem Franz. Und er schluckt von dem Tischlerspiritus, da wird ihm schon wohler, die Sachen haben sie schon rausgelegt, das Messer oben auf die Bündel, der Abschluß ist vorbei, zweimal rum, der Riegel vor, die Betten sind gebaut. Da flüstern sie auf Konrads Bett zusammen, Reinhold hat seine trübselige Stunde: »Mensch, ick sag dir, wo du in Berlin hingehst. Wenn du raus bist, du gehst zu meiner Braut, wer weeß, von wem die jetzt die Braut ist, ick sage dir ihre Adresse, und du gibst mir Bescheid, du weeßt schon. Und dann erkundige dir, wat aus meine Geschichte geworden ist, du weeßt doch, der Dluga hat ja was gemerkt. Da hab ick in Berlin son Kerl gekannt, son ganz dämlichen, Biberkopf hieß der, Franz Biberkopf –«
Und er flüstert und erzählt und hält den Konrad fest, der die Ohren aufsperrt und immer ja sagt und nu bald alles weiß. Er muß dem Reinhold ins Bett helfen, so weint der vor Wut und Verlassenheit und Ärger über sein Schicksal, und daß er nischt machen kann und sitzt in der Falle. Da nützt nichts, daß Konrad sagt, was sind vier Jahr; Reinhold will nicht und will nicht, und er kann es nicht ertragen und kann so nicht leben, es ist der richtige Zuchthausknall.
Das ist der schwarze Mittwoch. Am Freitag ist Konrad bei Reinholds Braut in Berlin und wird herzlich aufgenommen und kann tagelang bloß erzählen und hat auch Geld von ihr. Das ist Freitag, und am Montag ist für Reinhold alles vorbei. Da trifft Konrad in der Seestraße einen Freund, mit dem war er früher in Fürsorge, der ist jetzt arbeitslos. Und dem fängt Konrad an zu prahlen, wies ihm geht, zahlt für ihn in der Kneipe, und dann ziehen sie mit Mädels in ein Kino. Konrad erzählt wüste Geschichten von Brandenburg. Wie sie die Mädels los sind, sitzen sie noch die halbe Nacht auf der Bude von dem Freund, und das ist schon die Nacht zu Dienstag, wo Konrad sagt, wer Reinhold ist, Moroskiewicz nennt er sich bloß, und das ist ein feiner Junge, so was findt man draußen so bald nicht, der wird gesucht wegen schwere Sachen, wer weiß, wieviel Belohnung auf den seinen Kopf steht. Und das hat er kaum gesagt, da weiß er schon, daß es dumm war, aber der Freund verspricht hoch und heilig, nichts zu sagen, aber Mensch, wir halten dicht, und er kriegt auch noch 10 Mark von Konrad.
Dann kommt der Dienstag, da steht dieser Freund im Präsidium parterre und sieht an Plakaten, obs auch stimmt, wer gesucht wird, ob der Reinhold, so heißt der, ob der wirklich dabei ist, und ob Belohnung drauf steht, oder ob der Konrad nicht einfach aufgeschnitten hat.
Und ganz platt ist er und glaubt erst gar nicht, wie er den Namen liest, Gottes willen, Mord an einer Prostituierten Parsunke in Freienwalde, da steht der Name wirklich bei, ob der das ist, Gottes willen, 1000 Belohnung, Mensch, 1000 Mark. Das fährt ihm so in die Knochen, 1000 Mark, daß er gleich losgeht und am Nachmittag mit seiner Freundin wiederkommt, die sagt, sie hat schon Konrad getroffen, und der hat nach ihm gefragt, ja, dem schwant was, was soll man machen, soll mans machen, Mensch, wie kannste dir besinnen, das ist ja ein Mörder, was geht das dir an, und Konrad, was machste dir aus Konrad, den triffste so bald nicht wieder, und warum, woher will der wissen, daß dus warst, und das Geld, denk mal, 1000 Mark, und du gehst stempeln und überlegst dir bei 1000 Mark. »Ob ers ooch ist?« »Na komm, wir gehen rin.«
Drin gibt er dem Kommissar vom Dienst klipp und klar an, was er weiß, Moroskiewicz, Reinhold, Brandenburg, – woher ers weiß, sagt er nicht. Da er keine Papiere hat, muß er und seine Freundin zunächst mal dableiben. Dann – ist alles gut.
Wie Konrad
Weitere Kostenlose Bücher