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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Achtung Baustelle, Stralauer Asphaltgesellschaft.
    Er gondelte herum, an der knarrenden Elektrischen entlang, hütet euch vor dem Abspringen, während der Fahrt! Warte! Bis der Wagen hält. Der Schupo regelt den Verkehr, ein Postschaffner will noch rasch rüber. Ich habs nicht eilig, ich will man bloß zu die Juden. Die gibt es nachher auch. Solchen Dreck kriegt man an die Stiefeln, aber geputzt sind sie sowieso nicht, denn wer soll sie putzen, etwa die Schmidt, die tut nichts (Spinnweben an der Decke, saures Aufstoßen, er lutschte an seinem Gaumen, drehte den Kopf zu den Scheiben: Gargoyle Mobilöl Vulkanisieranstalt, Bubikopfpflege, die Wasserwelle, auf blauem Grund, Pixavon, veredeltes Teerpräparat). Ob die dicke Lina vielleicht die Stiefel putzen könnte? Da war er im Moment schon in flotteres Tempo gekommen.
    Der Betrüger Lüders, der Brief der Frau, ich box dir ein Messer in den Bauch, Ogottogott, Mensch, laß doch das, wir werden uns beherrschen, Lumpenpack, wir vergreifen uns an keinem, wir haben schon mal in Tegel gebrummt. Also: Maßanfertigung, Herrenkonfektion, das zuerst, dann zweitens Karosseriebeschlagen, Automobilzubehör, auch wichtig, für rasches Fahren, aber nicht zu rasch.
    Rechtes Bein, linkes Bein, rechtes Bein, linkes Bein, immer langsam voran, drängeln gibts nicht, Fräulein. Bei mir: Schupo beim Auflauf. Was das ist? Eile mit Keile. Huhuhu, huhuhu, die Hähne krähn. Franz war fröhlich, die Gesichter sahen alle netter aus.
    Er vertiefte sich mit Freude in die Straße. Es wehte ein kalter Wind, gemischt je nach den Häusern mit warmem Kellerdunst, Obst und Südfrüchten, Benzin. Asphalt im Winter riecht nicht.
    Bei den Juden saß Franz eine ganze Stunde auf dem Sofa. Sie sprachen, er sprach, er wunderte sich, sie wunderten sich eine ganze lange Stunde. Worüber er sich wunderte, während er auf dem Sofa saß und sie sprachen und er sprach? Daß er hier saß und sprach und daß sie sprachen, und vor allem wunderte er sich über sich. Warum wunderte er sich über sich? Er wußte und merkte es selbst, er stellte es fest wie ein Registrator einen Rechenfehler. Er stellte etwas fest.
    Es war entschieden; über die Entscheidung wunderte er sich, die er in sich vorfand. Diese Entscheidung sagte, während er ihnen ins Gesicht sah, lächelte, fragte, antwortete: Franz Biberkopf, sie können reden, was sie wollen, sie haben Talare, aber sind keine Pastoren, es ist ein Kaftan, sie sind aus Galizien, bei Lemberg sagen sie selbst, sie sind schlau, aber mir machen sie nichts vor. Sondern ich sitze hier auf dem Sofa, und ich werde mit ihnen keine Geschäfte machen. Ich habe getan, was ich tun kann.
    Das letztemal, das er hier war, hatte er mit dem einen auf dem Teppich unten gesessen. Hutsch, rutscht man runter, ich möcht es mal versuchen. Aber heute nicht, das sind vergangene Zeiten. Angenagelt sitzen wir auf unsern vier Buchstaben und kucken uns die ollen Juden an.
    Der Mensch kann nicht mehr hergeben, man ist keine Maschine. Das 11. Gebot heißt: Laß dir nicht verblüffen. Eine schöne Wohnung haben die Brüder, einfach, geschmacklos und ohne allen Prunk. Damit stecken sie bei Franzen keine Lichter raus. Franz kann sich beherrschen. Damit ist es vorbei. Zu Bett, zu Bett, wer eine hat, wer keine hat, muß auch zu Bett, zu Bett. Es wird nicht mehr gearbeitet. Der Mensch gibt nicht mehr her. Wenn die Pumpe im Sand steckt, können Sie an det Ding arbeiten, wie Sie wollen. Franz bezieht Ruhegehalt ohne Pension. Wie ist das, dachte er hinterhältig, und blickte an der Sofakante lang, Ruhegehalt ohne Pension.
    »Und wenn man so Gewalt hat wie Ihr, ein so kräftiger Mensch, soll er seinem Schöpfer danken. Was kann ihm schon passieren. Braucht der zu trinken? Tut er nicht dies, tut er das. Geht zur Markthalle, stellt sich vor die Geschäfte, stellt sich an den Bahnhof: was meint Ihr, was so ein Mensch mir neulich abgenommen hat, wie ich von Landsberg gekommen bin vorige Woche, einen Tag war ich weg, was meint Ihr, nimmt der ab. Rat du mal, Nachum, ein Mensch so groß wie die Tür, ein Goliath, Gott soll mich schützen. Fuffzich Pfennig. Nu ja, fuffzich Pfennig. Habt Ihr gehört, fuffzich Pfennig. Für ein Köfferchen von hier bis zur Ecke. Ich wollte nicht tragen, war Schabbes. Nimmt mir der Mensch fuffzich Pfennig ab. Ich kuckt ihn aber an. Nun, Ihr könnt auch – wißt Ihr, ich weiß für Euch. Ist da nicht bei Feitel, bei dem Getreidehändler, sag mal, du kennst doch Feitel.« »Feitel nicht, seine

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