Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
dir gehört.
    Hiob, jetzt hast du alles verloren. In den Schuppen darfst du abends kriechen. Man fürchtet deinen Aussatz. Du bist strahlend über deine Güter geritten und man hat sich um dich gedrängt. Jetzt hast du den Holzzaun vor der Nase, an dem die Schneckchen hochkriechen. Du kannst auch die Regenwürmer studieren. Es sind die einzigen Wesen, die sich nicht vor dir fürchten.
    Deine grindigen Augen, du Haufen Unglück, du lebender Morast, machst du nur manchmal auf.
    Was quält dich am meisten, Hiob? Daß du deine Söhne und Töchter verloren hast, daß du nichts besitzt, daß du in der Nacht frierst, deine Geschwüre im Rachen, an der Nase? Was, Hiob?«
    »Wer fragt?«
    »Ich bin nur eine Stimme.«
    »Eine Stimme kommt aus einem Hals.«
    »Du meinst, ich muß ein Mensch sein.«
    »Ja, und darum will ich dich nicht sehen. Geh weg.«
    »Ich bin nur eine Stimme, Hiob, mach die Augen auf, so weit du kannst, du wirst mich nicht sehen.«
    »Ach, ich phantasiere. Mein Kopf, mein Gehirn, jetzt werde ich noch verrückt gemacht, jetzt nehmen sie mir noch meine Gedanken.«
    »Und wenn sie es tun, ist es schade?«
    »Ich will doch nicht.«
    »Obwohl du so leidest, und so leidest durch deine Gedanken, willst du sie nicht verlieren?«
    »Frage nicht, geh weg.«
    »Aber ich nehme sie dir gar nicht. Ich will nur wissen, was dich am meisten quält.«
    »Das geht keinen etwas an.«
    »Niemanden als dich?«
    »Ja ja! Und dich nicht.«
    Der Hund bellt, knurrt, beißt um sich. Die Stimme kommt nach einiger Zeit wieder.
    »Sind es deine Söhne, um die du jammerst?«
    »Für mich braucht keiner zu beten, wenn ich tot bin. Ich bin Gift für die Erde. Hinter mir muß man ausspeien. Hiob muß man vergessen.«
    »Deine Töchter?«
    »Die Töchter, ah. Sie sind auch tot. Ihnen ist wohl. Sie waren Bilder von Frauen. Sie hätten mir Enkel gebracht, und weggerafft sind sie. Eine nach der andern ist hingestürzt, als ob Gott sie nimmt an den Haaren, hochhebt und niederwirft, daß sie zerbrechen.«
    »Hiob, du kannst deine Augen nicht aufmachen, sie sind verklebt, sie sind verklebt. Du jammerst, weil du im Kohlgarten liegst, und der Hundeschuppen ist das letzte, was dir geblieben ist, und deine Krankheit.«
    »Die Stimme, du Stimme, wessen Stimme du bist und wo du dich versteckst.«
    »Ich weiß nicht, worum du jammerst.«
    »Oh, oh.«
    »Du stöhnst und weißt es auch nicht, Hiob.«
    »Nein, ich habe –«
    »Ich habe?«
    »Ich habe keine Kraft. Das ist es.«
    »Die möchtest du haben.«
    »Keine Kraft mehr, zu hoffen, keinen Wunsch. Ich habe kein Gebiß. Ich bin weich, ich schäme mich.«
    »Das hast du gesagt.«
    »Und es ist wahr.«
    »Ja, du weißt es. Das ist das Schrecklichste.«
    »Es steht mir also schon auf der Stirn. Solch Fetzen bin ich.«
    »Das ist es, Hiob, woran du am meisten leidest. Du möchtest nicht schwach sein, du möchtest widerstreben können, oder lieber ganz durchlöchert sein, dein Gehirn weg, die Gedanken weg, dann schon ganz Vieh. Wünsche dir etwas.«
    »Du hast mich schon soviel gefragt, Stimme, jetzt glaube ich, daß du mich fragen darfst. Heile mich! Wenn du es kannst. Ob du Satan oder Gott oder Engel oder Mensch bist, heile mich.«
    »Von jedem wirst du Heilung annehmen?«
    »Heile mich.«
    »Hiob, überleg dir gut, du kannst mich nicht sehen. Wenn du die Augen aufmachst, erschrickst du vielleicht vor mir. Vielleicht laß ich mich hoch und schrecklich bezahlen.«
    »Wir werden alles sehen. Du sprichst wie jemand, der es ernst nimmt.«
    »Wenn ich aber Satan oder der Böse bin?«
    »Heile mich.«
    »Ich bin Satan.«
    »Heile mich.«
    Da wich die Stimme zurück, wurde schwach und schwächer. Der Hund bellte. Hiob lauschte angstvoll: Er ist weg, ich muß geheilt werden, oder ich muß in den Tod. Er kreischte. Eine grausige Nacht kam. Die Stimme kam noch einmal:
    »Und wenn ich der Satan bin, wie wirst du mit mir fertig werden?«
    Hiob schrie: »Du willst mich nicht heilen. Keiner will mir helfen, nicht Gott, nicht Satan, kein Engel, kein Mensch.«
    »Und du selbst?«
    »Was ist mit mir?«
    »Du willst ja nicht!«
    »Was.«
    »Wer kann dir helfen, wo du selber nicht willst!«
    »Nein, nein«, lallte Hiob.
    Die Stimme ihm gegenüber: »Gott und der Satan, Engel und Menschen, alle wollen dir helfen, aber du willst nicht, – Gott aus Liebe, der Satan, um dich später zu fassen, die Engel und die Menschen, weil sie Gehilfen Gottes und des Satans sind, aber du willst nicht.«
    »Nein, nein«, lallte, brüllte Hiob

Weitere Kostenlose Bücher