Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Männer aus dem Brühraum herübergesehen, es ist so weit, sie heben einen Schieber an der Totschlagbucht hoch, ziehen das Tier heraus, das lange Messer zum Schärfen an einem Stab gewetzt und hingekniet, schubb schubb in den Hals gestoßen, ritsch ein langer Schnitt, ein sehr langer in den Hals, das Tier wird wie ein Sack geöffnet, tiefe tauchende Schnitte, das Tier zuckt, strampelt, schlägt, es ist bewußtlos, jetzt nur bewußtlos, bald mehr, es quiekt, und nun die Halsadern geöffnet. Es ist tief bewußtlos, wir sind in die Metaphysik, die Theologie eingetreten, mein Kind, du gehst nicht mehr auf der Erde, wir wandern jetzt auf Wolken. Rasch das flache Becken ran, das schwarze heiße Blut strömt ein, schäumt, wirft Blasen im Becken, rasch rühren. Im Körper gerinnt das Blut, soll Pfröpfe machen, Wunden stopfen. Jetzt ist es aus dem Körper raus, und noch immer will es gerinnen. Wie ein Kind noch Mama, Mama schreit, wenn es auf dem Operationstisch liegt und gar keine Rede von der Mama ist, und die Mama will gar nicht kommen, aber das ist zum Erstikken unter der Maske mit dem Äther, und es schreit noch immer, bis es nicht kann: Mama. Ritsch, ritsch, die Adern rechts, die Adern links. Rasch rühren. So. Jetzt läßt das Zucken nach. Jetzt liegst du still. Wir sind am Ende von Physiologie und Theologie, die Physik beginnt.
Der Mann, der hingekniet ist, steht auf. Die Knie tun ihm weh. Das Schwein muß gebrüht werden, ausgeweidet, zerhackt, das geht Zug um Zug. Der Chef, wohlgenährt, geht mit der Tabakspfeife hin und her durch den Dampf, blickt manchmal in einen offenen Bauch rein. An der Wand neben der schwingenden Tür hängt ein Plakat: Ballfest erster Viehexpedienten Saalbau, Friedrichshain, Kapelle Kermbach. Draußen sind angezeigt Boxkämpfe. Germaniasäle, Chausseestraße 110, Eintrittspreise 1,50 M. bis 10 Mark. 4 Qualifikationskämpfe.
Viehmarkt Auftrieb: 1399 Rinder, 2700 Kälber, 4654 Schafe, 18 864 Schweine. Marktverlauf: Rinder in guter Ware glatt, sonst ruhig. Kälber glatt, Schafe ruhig, Schweine anfangs fest, nachher schwach, fette vernachlässigt.
Auf den Viehstraßen bläst der Wind, es regnet. Rinder blöken, Männer treiben eine große brüllende, behörnte Herde. Die Tiere sperren sich, sie bleiben stehen, sie rennen falsch, die Treiber laufen um sie mit Stöcken. Ein Bulle bespringt noch mitten im Haufen eine Kuh, die Kuh läuft rechts und links ab, der Bulle ist hinter ihr her, er steigt mächtig immer von neuem an ihr hoch.
Ein großer weißer Stier wird in die Schlachthalle getrieben. Hier ist kein Dampf, keine Bucht wie für die wimmelnden Schweine. Einzeln tritt das große starke Tier, der Stier, zwischen seinen Treibern durch das Tor. Offen liegt die blutige Halle vor ihm mit den hängenden Hälften, Vierteln, den zerhackten Knochen. Der große Stier hat eine breite Stirn. Er wird mit Stöcken und Stößen vor den Schlächter getrieben. Der gibt ihm, damit er besser steht, mit dem flachen Beil noch einen leichten Schlag gegen ein Hinterbein. Jetzt greift der eine Stiertreiber von unten um den Hals. Das Tier steht, gibt nach, sonderbar leicht gibt es nach, als wäre es einverstanden und willige nun ein, nachdem es alles gesehn hat und weiß: das ist sein Schicksal, und es kann doch nichts machen. Vielleicht hält es die Bewegung des Viehtreibers auch für eine Liebkosung, denn es sieht so freundlich aus. Es folgt den ziehenden Armen des Viehtreibers, biegt den Kopf schräg beiseite, das Maul nach oben.
Da steht der aber hinter ihm, der Schlächter, mit dem aufgehobenen Hammer. Blick dich nicht um. Der Hammer, von dem starken Mann mit beiden Fäusten aufgehoben, ist hinter ihm, über ihm und dann: wumm herunter. Die Muskelkraft eines starken Mannes wie ein Keil eisern in das Genick. Und im Moment, der Hammer ist noch nicht abgehoben, schnellen die vier Beine des Tieres hoch, der ganze schwere Körper scheint anzufliegen. Und dann, als wenn es ohne Beine wäre, dumpft das Tier, der schwere Leib, auf den Boden, auf die starr angekrampften Beine, liegt einen Augenblick so und kippt auf die Seite. Von rechts und links umwandert ihn der Henker, kracht ihm neue gnädige Betäubungsladung gegen den Kopf, gegen die Schläfen, schlafe, du wirst nicht mehr aufwachen. Dann nimmt der andere neben ihm seine Zigarre aus dem Mund, schnäuzt sich, zieht sein Messer ab, es ist lang wie ein halber Degen, und kniet hinter dem Kopf des Tieres, dessen Beine schon der Krampf verlassen hat. Kleine
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