Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
mehr sehen und hören von der Welt, und wenn er Penner wird, er versauft den letzten Pfennig von seinem Geld.
Als Franz Biberkopf so in den Februar hineingewütet ist, wird er mal nachts von einem Geräusch auf dem Hof geweckt. Hinten ist eine Großhandelsfirma. Er sieht runter in seinem Tran, macht das Fenster auf, schreit über den Hof: »Schert euch vom Hof, Ochsen, ihr, Quatschköppe.« Dann legt er sich hin, denkt an nichts weiter, die Leute sind im Moment weg.
Nach einer Woche geht es ebenso. Franz ist im Begriff, die Fenster aufzureißen und den Holzklotz runterzuschmeißen, da fällt ihm ein: es ist jetzt eins, er wird sich mal die Jungs ansehen. Was machen die Brüder eigentlich da um ein Uhr nachts. Was haben die eigentlich da zu suchen, gehören die überhaupt ins Haus, das müßte man eigentlich befingern.
Und richtig, es ist ein vorsichtiges Getue, sie rutschen die Wand lang, Franz biegt sich oben den Hals aus, einer steht an der Hoftür, der Junge steht Schmiere, die drehen ein Ding, sie habens mit der großen Kellertür. Sie murksen zu dritt. Daß die keine Angst haben, daß man sie sieht. Jetzt knarrt es, die Tür ist uff, sie habens geschafft, der eine bleibt aufm Hof in ner Nische, die beiden sind runter inn Keller. Mächtig duster ist es, darauf bauen sie.
Franz zieht leise sein Fenster zu. Die Luft hat ihm den Kopf abgekühlt. So was machen die Menschen eben, den ganzen Tag und noch in der Nacht, so gaunert das rum, man müßte einen Blumentopf nehmen und auf den Hof pfeffern. Was haben die überhaupt hier im Haus zu suchen, wo ich wohne. Gar nichts.
Es ist still, er setzt sich im Finstern auf sein Bett, er muß wieder ans Fenster gehen und runtergucken: was haben die Brüder überhaupt bei mir im Haus verloren. Und dann steckt er sich eine Wachskerze an, sucht nach der Schnapsflasche, und wie er sie hat, gießt er nicht ein. Eine Kugel kam geflogen, gilt sie mir oder gilt sie dir.
Aber wie es Mittag ist, geht Franz auf den Hof runter. Ein Haufen Menschen steht da zusammen, auch der Zimmerer Gerner ist bei, Franz kennt den, sie sprechen: »Da haben sie wieder geklaut.« Franz knufft den: »Ich hab die Brut gesehen, hochgehen werd ich sie nicht lassen, aber kommen die mir nochmal aufn Hof, wo ich hier wohne und wo ich schlafe und wo sie nichts zu suchen haben, dann geh ich runter, und so wahr ich Biberkopf bin, da können sie ihre Knochen zusammensuchen und wenn es drei sind.« Der Zimmerer hält Franzen fest: »Wenn du was weißt, da sind Kriminals, geh doch hin, kannst was verdien.« »Laß mir mit die zufrieden. Ich habe noch keenen verpfiffen. Können alleene arbeiten, kriegen ja Geld dafür.«
Franz haut ab. Kommen da zwei Kriminals, wie Gerner noch dasteht, auf ihn zu und wollen partu von ihm wissen, wo Gerner wohnt, also er selbst. Ich krieg ein Schreck. Der Mann wird blaß bis auf die Hühneraugen. Dann meint er: »Lassen Sie mal sehen, Gerner, das ist der Zimmermann, kann ich Ihnen zeigen.« Und sagt kein Wort, klingelt bei sich, die Frau öffnet, die ganze Gesellschaft zieht hinterdrein. Zuletzt schiebt sich Gerner durch, gibt seiner Frau einen Stoß in die Rippen, Finger vor die Lippen, sie weiß nicht, was ist los, er mischt sich unter die Leute, Hände in den Hosentaschen, sind noch zwei andere dabei, Herren von einer Versicherung, die gucken sich alle in seiner Wohnung um. Die wollen wissen, wie dick hier die Wände sind und wie der Fußboden ist, die klopfen die Wände ab und messen und schreiben. Das geht nämlich schon ins Aschgraue mit den Einbrüchen bei der Großhandelsfirma, die Kerle sind so frech, die haben einen Durchbruch durch die Mauer versucht, weil da ein Klingelwerk an der Tür und an der Treppe ist, das wissen sie auch schon. Ja, die Wände sind verzweifelt dünn, das ganze Bauwerk ist wacklig, so eine Art vergrößertes Osterei.
Sie marschieren wieder auf den Hof hinaus, Gerner als dummer August immer mit. Jetzt studieren sie die beiden neuen Eisentüren am Keller, Gerner dicht dabei. Und da will es der Zufall, er tritt einen Schritt zurück, er will Platz machen, will es der Zufall, er tritt auf was, da fällt was um, und wie er rasch zugreift, ist es eine Flasche, die ist grade auf Papier gefallen, und darum hat man nichts gehört. Steht da eine Flasche hier aufm Hof, die haben die stehen gelassen, nehmen wir mit, warum nicht, die großen Herren verlieren nichts dran. Und er bückt sich, als wenn er sich den Schuh festschnüren will, dabei faßt er die
Weitere Kostenlose Bücher