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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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seufzte ein wenig. Mehr belustigt über sich selbst als wirklich sehnsuchtsvoll. Der Bursche sah blendend aus. Circa 1,90 Meter lang und schlank. Seine Sonnenbräune wurde durch den fliederfarbenen Anzug und von dem Hemd im minimalen Gelbton nur noch unterstrichen. Das ein wenig über den Hemdkragen reichende schwarze Haar war leicht gewellt und zeigte einen Hauch von Glanz. Ach ja, er erinnerte sie an ihren Wilhelm. Aber das lag lange zurück.
    Perle sah unauffällig hinüber zu dem Speichergebäude. Direkt gegenüber befanden sich vier vergitterte Fenster. Die aufstehenden Fensterflügel, welche dem Wind gestatteten, die Vorhänge ab und zu beiseite zu wehen, bestätigten seine Vermutung, dass dahinter die Räume der Sparkasse lagen. Vor dem Fenster dominierte der alte, ehemalige Ladekran aus der aktiven Zeit des Speichers. Der Koloss aus Eisen, gute zwölf Meter hoch, erhob
    sich über den Schienen, auf denen er früher gerollt war. Perles Gehirn speicherte die Eindrücke.
    Nur nichts überhasten. Das gibt Sicherheit. Das hatte er begreifen müssen. Er war klüger geworden, war jetzt dem System überlegen. In den acht Jahren Gefängnis hatte er sich mit Informationstechnik und Strategie beschäftigt, war Mitglied der Theatergruppe gewesen. Er hatte viel zugehört und aufgepasst und wusste jetzt, dass man kein Muster hinterlassen durfte und mindestens drei Fluchtvarianten parat haben sollte.
    Seitdem trug er seine rosafarbene Perle verdeckt an einer Kette um den Hals. Die letzte Entlassung lag fünf Jahren zurück. Von da an war er nur noch ein Phantom für die Behörden. Perle begnügte sich mit drei, maximal vier Überfällen im Jahr.
    Rein – raus – weg. Das funktionierte. Seine Jahresbeute belief sich zwischen 100.000 und 180.000 Euro. Davon leistete er sich eine kleine Einliegerwohnung an der Ostsee, die er sporadisch aufsuchte. Ansonsten verbrachte Perle seine Zeit mit Reisen, um das nächste lohnende Objekt zu finden.
    Agnes spülte ein paar Schuppenreste, Fischkot und Flossenteile mit dem kleinen Schlauch vom Tisch, als sie den Schritt auf der Planke zum Kutter zuerst spürte und dann hörte.
    Der Fliederfarbene betrat tatsächlich die Planken ihres alten Bootes. Agnes band die Gummischürze ab, strich schnell die grauen Haare ein wenig glatt und stieg nach oben. Im Vorbeigehen griff sie die abgegriffene Speisekarte und blinzelte ihrem Wilhelm zu, der ihr von einem Foto im Aufgang zum Ruderhaus strafend zusah.
    Als Agnes das Deck betrat, hatte sich der Mann im Anzug ein wenig zurückgelehnt und schien die feine, kühle Brise zu genießen. Jetzt hob er den Kopf, entblößte eine makellose Reihe weißer Zähne und lächelte sie an.
    „Muttchen, ich hätte gerne eine Portion Backfisch!“ Seine tiefe, warme Stimme klang in ihr nach. Das Muttchen hättest du dir verkneifen können, Junge, dass war unpassend, schoss es Agnes durch den Kopf.
    Äußerlich gelassen nickte sie, wischte mit einem Lappen über den Tisch.
    „Möchten Sie auch etwas trinken?“
    Er nahm die Sonnenbrille ab und fixierte Agnes aus dunklen, fast schwarzen Augen, die sie an den Granitstein in Wilhelms Ring erinnerten. Sie waren genauso hart und genauso faszinierend. Doch irgendetwas stimmte nicht.
    „Ja, ein Glas kühles Wasser und einen Tee. Pfefferminze, bitte!“ Agnes wandte sich ab, ging zwei Schritte, drehte sich noch einmal herum.
    1„Pfefferminze?“
    „Ja, Muttchen“, sagte der Mann und schenkte ihr ein weiteres Lächeln.
    Jetzt weiß ich, was nicht stimmt, dachte Agnes, das Lächeln erreicht die Augen nicht.
    Perle wischte mit dem letzten Stück Weißbrot den verbliebenen Rest der Soße vom Teller. Einfach Klasse. Das Muttchen konnte kochen. Er verspürte eine kleine Wehmut nach seiner Kindheit, als die Welt noch heile gewesen war und Mutter zu Hause gekocht hatte. Danach kannte er nur noch Heim- und Gefängniskost oder Fast Food und Restaurantküche. Dieser Backfisch hier bescherte ihm eine kurze Sentimentalität, die er jedoch rasch abschüttelte.
    Perle beschäftigte sich wieder mit seinem Vorhaben. Der alte Kran vor den Fenstern war sein Komplize. Er würde die Minikamera mit Magnethaftung halten.
    Von seinem Notebook aus konnte Perle sie nach Belieben aktivieren, um einen Einblick in die Abläufe des Geldinstitutes zu bekommen. Mit einem kurzen Signal und einem kleinen Akkuchip käme er nicht in den Frequenzbereich von Kameras, Sensoren und sonstigen Sicherheitseinrichtungen. Perle kannte sich aus. Wenn sie die

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