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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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sich den Gang weiter runter.
    Perle steuerte SNÄXTRA an, einen skandinavischen Imbiss, bestellte sich eine Tasse Kaffee und setzte sich. Von hier aus waren es etwa 22 Meter bis zum Sparkasseneingang. Er klaubte einen kleinen Block aus seinem Sakko, schlürfte am Kaffee und beschrieb den Zettel mit allerlei Zahlen, Kreisen und Strichen.
    Als Perle mit Zwanzig aus der Haft entlassen wurde, war er fest entschlossen, nach vorne zu kommen. Er setzte ein, was er hatte. Aussehen, Überzeugungskraft und die rosafarbene Perle. Das wirkte zuerst bei Maria, dann bei Marion, dann bei Claudia und und und und …
    Die Damen finanzierten ihm Urlaub, Führerschein, Auto, Wohnung und Kleidung. Aber Perle wollte mehr. Er wollte Bares.
    Einen großen Haufen Bares.
    Der Richter zeigte keinerlei Verständnis für Perles kreatives Kapitalmanagement und verurteilte ihn drei Jahre später zu 48 Monaten wegen Heiratsschwindel und Betrug.
    Perle schob den kleinen Block wieder in die Innentasche und bewegte sich in Richtung Ausgang Ullsteinstrasse. Er zählte 85 Schritte bis zur Tür Hafen-West und der automatischen Treppe nach oben.
    Er fuhr hoch, drückte die Tür auf und stand wieder auf der Brücke, sah zur Hafeneinfahrt, über den Kanal zum Modezentrum, daneben der riesige, rote Backsteinbau – das Ullsteinhaus. Das faszinierte Perle ebenso wenig wie das beeindruckende Panorama den Kanal hinunter. Ihn begeisterte eher der U-Bahn- Eingang direkt vor dem Ausgang, die Parkplätze in Schlagweite, die Seitenstraße auf der anderen Seite und je links und rechts in jeweils etwa 100 Metern eine große Kreuzung.
    Rückzugsfelder waren wichtig, sogar wichtiger als die Beschaffung selbst. Nach seiner Entlassung war Perle entschlossen, sich im autonomen Geldbeschaffungsmarkt zu engagieren. Der Beginn, mit einigen kleinen Bargelddirekttransaktionen bei Geldboten, für die er sich eine gebrauchte 7,65er zulegte, war vielversprechend. Der große Wurf war jedoch nicht dabei und das niedrige Valutavolumen wurde von den Ausgaben für die nächste Planung aufgebraucht.
    So bandelte Perle Geschäftsbeziehungen zu idyllisch gelegenen Geldinstituten in ländlichen Gegenden an. Dieses „One Touch Business“, wie er es nannte, dauerte in der Regel maximal vier Minuten. Er legte eine Serie von sieben Überfällen hin, bevor sie ihn schnappten. Die Festnahme war eine Mischung aus Nachlässigkeit und Verkettung unglücklicher Umstände. Perle benutzte für seine Flucht ein Fahrrad. Leider ohne ausreichend präzise recherchiert zu haben, radelte er in die kleine Seitenstraße neben der Bank, wo er im frischen Teer der Straßenbaustelle stecken blieb und zu Fall kam. Bevor die aufgebrachten Bauarbeiter besänftigt waren, klickte die stählerne Acht an seinen Handgelenken. Drei Überfälle konnten sie ihm nachweisen, wegen der kleinen rosafarbenen Perle, an der ihn die Zeugen identifizierten. Die Perle war seine, wie die zwölf Jahre alte Quittung belegte. Also ließen sie die ihm, als er für acht Jahre in den Bau musste.
    Perle war die große Treppe zur Hafenanlage hinuntergegangen und schlenderte gemütlich in Richtung der Stege, an denen einige Boote dümpelten. Ohne jede Hast musterte er die verlockenden Angebote auf den Tafeln vor dem kleinen Fischkutter, der sich gleich vorne vertäut hatte. Aal geräuchert 9,90 Euro, Forelle für 4,50 Euro, Bismarckhering 1,99 Euro und Backfisch für 2,49 Euro.
    Agnes sah durch das verstaubte Glas des schmalen Fensters im Bauch ihres kleinen Imbissschiffes, als sie routinemäßig das Vibrieren von den Planken des Steges spürte. Während sie mit geschickten Händen den Fisch aus der Eisbox nahm, musterte sie die schlanke Gestalt, die sich langsam in Richtung Kutter bewegte. Das war kein Kunde für sie, soviel Menschenkenntnis hatte sie mit ihren zweiundsiebzig Jahren. Der Bursche war sicherlich einer von diesen Typen, die sich hier im Tempelhofer Hafen einen Liegeplatz für ihre Motoryacht mieten wollten, und speiste eher im gehobenen Restaurant, um irgendwelche Weibsstücke zu beeindrucken.
    Während Agnes dem Fisch mit einem gekonnten Schnitt den Bauch zerteilte, beobachtete sie ihn weiter. Was der wohl an dem Speicher so interessant fand? Die Liegeplätze waren doch weiter hinten.
    Ihr grauer Finger fuhr routiniert in die Bauchhöhle des Schuppentieres und zog die Innereien heraus, um diese mit der Perfektion eines langen Beruflebens in die Tonne unter dem Tisch zu wischen.
    Agnes schätzte ihn um die Vierzig und

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