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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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Das waren die Ereignisse, die ihm Geschäftsfelder eröffneten.
    Perle hieß eigentlich Heinz Unmut und stammte gebürtig aus Hannover. Sein Vater war Angestellter bei der Stadt gewesen, seine Mutter Bibliothekarin und er, Perle, in der Schule unterfordert. Das Familienoberhaupt wurde mit Achtundvierzig mittels Leberzirrhose aus ihrer Mitte gerissen, als Perle gerade mal Zwölf war.
    Seine Mutter tröstete sich schnell. Mal mit Erwin aus der Fleischerei, mal mit Werner, dem Kellner aus der „Rosenberg-Klause“, mal mit Heribert aus der Etage unter ihnen und ab und zu auch mit Viola, der Floristin aus der Markthalle.
    Schnell war Perle dahinter gekommen, dass alle nur zu Besuch kamen und hinterher zu ihren Familien zurückkehrten. Das machte er sich zunutze und schon bald häuften sich die Geschenke in seinem Zimmer.
    Er stieß sich vom Brückengeländer ab, schlenderte über den mosaikgepflasterten Platz auf die kleine Treppe zu, die zum Eingang des Einkaufszentrums führte, das in das historische Speicherhaus integriert worden war. Im Entree blieb er stehen und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Er wandte sich dem Infostand zu und nahm von dort einen Übersichtplan sowie einige Prospekte der ansässigen Geschäfte.
    Media Markt, Bijou Brigitte, Edeka, H & M, New Yorker. Thai- Küche, Döner-Imbiss, Bäcker, Metzger, Telefon-Shop, Lottoladen.
    Alles wie überall.
    Perles Aufstieg hatte ein jähes Ende genommen. Seine Mutter verlor ihren Job in der städtischen Bibliothek, als man herausfand, dass sie den Alkohol gegen Heroin getauscht hatte. Obwohl sie nun mehr Zeit für sich gehabt hätte, vernachlässigte sie zusehends ihr Äußeres, was zu Folge hatte, dass die Besuche weniger wurden. Perle, damals Fünfzehn, merkte deutliche Einschnitte an seinem Taschengeld. Waren es zu Anfang nur Geschenke gewesen, so war er inzwischen dazu übergegangen, den jeweiligen Besuchern einen Bargeldobolus beim Betreten der Wohnung abzuverlangen. Ein Jahr später holte ihn das Jugendamt ab, da seine Mutter in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Er betrat das Jugendheim in einem cremefarbenen Maßanzug, mit italienischen Schuhen und einer 200-DM-Krawatte, auf der eine rosafarbene Perle leuchtete. Perle war geboren.
    Ohne Eile schob er sich an den Kleiderständern vorbei, umkurvte die paar aufgeregten Kinder vor dem Eisstand und steuerte die Rolltreppe an. Während das stählerne Stufenband
    ihn nach unten beförderte, taxierte er das Untergeschoss. Seine Augen erfassten die wenigen Details. Geradezu der lange Gang, vielleicht 60 Meter, mit dem Ausgang nach rechts zum Hafen. In der Gangmitte eine Saftbox, ein Handtaschenstand, eine Ausstellung afrikanischer Kunst.
    Er verließ die Treppe und steuerte nach rechts – MICANO Z Mode, It’z Fashion, Nanu Nana – der Kramladen, und die Sparkasse. Na bitte.
    Im Heim lernte Perle zum ersten Mal in seinem Leben Skrupellosigkeit kennen. Nach einem halben Jahr war nicht nur der cremefarbene Anzug dahin, sondern ebenso alle Sachen, die er in dem schweinsledernen Koffer bei sich gehabt hatte. Seine goldene Uhr wechselte den Besitzer, und die teuren Manschettenknöpfe hatte ein Junkie am Bahnhof verhökert. Perles feingliedrige Hände wurden von der Arbeit in der Heimgärtnerei rau und stark, sein hagerer Körper muskulös und sehnig. Er zahlte Lehrgeld. Die gebrochene Nase, die beiden künstlichen Schneidezähne und die Narbe an der Augenhöhle, die von der Augenbraue verdeckt wurde, zeugten davon.
    Sie hatten ihm alles genommen. Aber er hatte zurückgeschlagen und nach achtzehn Monaten Heimaufenthalt wechselte Perle vom Heim gezwungenermaßen in die Jugendstrafanstalt. Die kommenden zwei Jahre nahm er klaglos hin. Das war es wert gewesen. Die rosafarbene Perle war wieder in seinem Besitz.
    Perles Lippen umkräuselten ein Lächeln. Die Sparkasse lag, von der Rolltreppe verdeckt, kurz vor dem Knick nach links in den nächsten Gang. Ein strategischer Fehler der Architekten. Das würde er sich zunutze machen. Mit geübtem Blick checkte er den Eingangsbereich. Rechts die Geldautomaten, eine Zwischentür, die offen stand, dann die Schalteranlage. Links die Treppe zu den Kellerräumen der Kasse. Ein Pfeiler verdeckte dort die Sicht auf die Schalterreihe und in der Lücke zur Wand grünte eine große Pflanze. 12.27 Uhr – nicht viel Betrieb. Heute war
    Donnerstag.
    Die Putzfrau mit dem Kopftuch rammte ihn fast. Ohne aufzusehen murmelte sie irgendetwas, vielleicht einen Fluch, und schob

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