Berlin - ein Heimatbuch

Gesichtsausdruck nicht übers Herz, ihm seine Bitte abzuschlagen. Und wenn ich ehrlich bin, möchte ich natürlich gerne erfahren, welche dramatischen Ereignisse ihm derartig die Stimmung verhagelt haben.

    Trinken bei Leydicke
    1877 gründeten die Brüder Emil und Max Leydicke in der Mansteinstraße eine Likörfabrik und Weinprobierstube und verkauften Obstweine, Liköre und Hochprozentiges nach eigenen Rezepten. In den 20er-Jahren wurde die Destillierstube im Schatten der Yorckbrücken zu einem Lokal mit proletarischem und kleinbürgerlichem Publikum. In den 70er-Jahren wurde das Lokal Kult, als es zunächst von Studenten und später auch von Touristen und Schulklassen entdeckt und erobert wurde. Die Wirtin Luzie Leydicke war ein echtes »Berliner Original«, pöbelte Gäste an, wenn die zu wenig tranken, schlichtete Streit, holte Weltverbesserer auf den Boden zurück, sprach Mut zu, tröstete, schenkte nach. Sogar die »Zeit« druckte kurz nach Luzies Tod im Sommer 1980 einen Nachruf. Nach dem Mauerfall erlitt das Leydicke das Schicksal vieler Kneipen im alten Westberlin. Es blieb leer zurück, die Szene wanderte ab. Inzwischen wird das Lokal mit seiner über 120-jährigen Tradition in der vierten Familiengeneration geführt. Nach wie vor sind nach Ansicht von Kennern sowohl die Fruchtweine als auch die noch nach alten Rezepten von Emil und Max Leydicke gebrannten Liköre, insbesondere der Eier-, der Mokka-Sahne- und der Pomeranzenlikör, einen Besuch und eine Sünde wert.
    E & M Leydicke
    Mansteinstraße 4, 10783 Berlin-Schöneberg, www.leydicke.com
    Tango in Berlin
    Wer jemals in Buenos Aires war, weiß, dass Tango dort eine ähnlich hohe Reputation besitzt wie in Deutschland der Schuhplattler. In Berlin ist das anders. Hier wird der leidenschaftliche Tango Argentino nicht nur getanzt, sondern gelebt. Es gibt ungezählte Tangoschulen, Festivals, Musiker und Geschäfte. Auf internationalen Tangofestivals treten dementsprechend viele Berliner Tänzer und Musiker auf.
    Tangokurse
    Estudio Sudamerica
    Brunnenstraße 181, 10119 Berlin-Mitte (U Rosenthaler Platz), www.estudiosudamerica.de
    !Tango Vivo! – Tanzstudio
    Zossener Straße 24, 10961 Berlin-Kreuzberg (U-Gneisenaustraße), www.tangovivo.de
    Ballhaus Walzerlinksgestrickt
    Am Tempelhofer Berg 7d, 10965 Berlin-Kreuzberg (U-Mehringdamm, U-Platz der Luftbrücke), www.walzerlinksgestrickt.de
    Festivals
    Queer Tango Festival in Berlin
    »Internationales Tangofestival jenseits konventioneller Rollenklischees«, www.queertangofestival-berlin.de
    Internationales Tango Festival Berlin
    www.tangofestivalberlin.de
    Mode
    Rosa
    Wissmannstraße 4, 12049 Berlin-Neukölln (U Hermannplatz), www.tangomode.de
    Online-Magazin
    Tangokultur.info
    www.tangokultur.info

Kaffeemaschinen Des Westens
    Auf dem Heimweg steht mein Dauergrinsen in seltsamem Kontrast zu Karls Reserviertheit. Was soll’s, ich hatte einfach ’ne Menge Spaß.
    »Um ehrlich zu sein, Karl: In Clärchens Ballhaus bin ich vorher nie gewesen. Super Tipp. Und Danke fürs Mitnehmen, Mann. War ein toller Abend.«
    Mein am frühen Abend noch so euphorischer Reisegenosse glotzt stumm wie ein am Schnabel operierter Wellensittich auf seine abgerundeten Gesundheitsschuhe. Mal sehen, welche meiner Verhörmethoden aus dem Polizeidienst den Vogel zum Singen bringen.
    Ich versuche es mit der Anfängervariante. Und baue über anbiedernde Lügen eine Beziehungsbrücke zu dem auszufragenden Subjekt.
    »Du, die Britta ist ja echt ’ne Nette. War sicher unglaublich kribbelnd, mit so einer Frau in den Nahtanz zu gehen. Oder?«
    Karl mustert mich sehr kühl durch seine unterarmdicken Brillengläser. »Na ja.«
    Ich warte zwei Minuten, ob diese erhellende Aussage noch eine Fortsetzung erfährt. Pustekuchen. Na gut, niemand kann ernsthaft erwarten, gleich mit der Anfängernummer ans Ziel zu gelangen. Dann also die Fortgeschrittenenmethode: gezielte Provokation des Aussageunwilligen.
    »Oder haben deine tänzerischen Fähigkeiten nicht ihren Vorstellungen entsprochen?«
    Karl-Holger schaut nur kurz von seinen Birkenstocks auf und lässt abschätzig Luft aus dem Brustkorb entweichen. »Pfffffffttttt.«
    Na also, wer sagt’s denn: Volltreffer! Jetzt gilt es nur noch, dem Opfer die Details der vernichtenden Jahrhundertniederlage zu entlocken. Für einen Profi wie mich eine kleckerleichte Übung.
    »Karl, du musst dich nicht schämen. Es gibt weltweit keinen einzigen Mann, der nicht schon einmal von einer angebeteten Frau enttäuscht