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Berlin - ein Heimatbuch

Berlin - ein Heimatbuch

Titel: Berlin - ein Heimatbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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wurde.« Kaum habe ich diesen großartigen Satz gelassen ausgesprochen, fällt mir als Gegenbeispiel George Clooney ein. Unmittelbar danach kommen mir noch mindestens 1.000 weitere coole und attraktive Männer in den Sinn, auf die mein billiger Trostsatz nicht zutrifft. Einer davon reimt sich auf Opal. Wohlweislich behalte ich all diese Gegenbeispiele lieber für mich. Als naiver Bauernbub lässt sich Karl von meiner windigen These erwartungsgemäß blenden. Sturzflutartig bricht die aufgestaute Enttäuschung nur so aus ihm heraus. So muss es sein.
    »Murat, ich weiß nicht, ob du das weißt. Aber der Tango Argentino ist – wie soll ich sagen – das ist nicht das übliche anspruchslose Standard-Gehopse.«
    Schon wieder Zeit zum Fremdschämen. Dass diese rhythmusgestörte Sofakartoffel technisch schwierige Standardtänze als Gehopse diffamiert, zeigt deutlich, wie wenig er die Materie in der Praxis tatsächlich durchdrungen hat. Was ihn natürlich keineswegs am Dozieren hindert.
    »Gerade dem Mann kommt beim Tango eine gewisse, beziehungsweise was sage ich, eine ganz besondere Verantwortung zu. Und warum? Weil du als Mann ja führst.«
    Bedeutungsschwangere, nicht enden wollende Pause. Als ich schon überlege, jetzt doch besser auf die Profistrategie umzusteigen, wimmert plötzlich ein aus tiefstem Herzen geseufztes »Manolo« aus des Verhörten Brust. Siehe da: ein neuer Verdächtiger in diesem höchst verwirrenden Fall. Hier gilt es unmittelbar nachzufassen. Hat mein naives Schwabensensibelchen womöglich sein Herz am anderen Ufer verloren? An einen glutäugigen Spanier gar? Meine Neugier schlägt übermütige Kapriolen. Zum Glück weiß ich aus langjähriger Erfahrung, dass auch in solch magischen Momenten nur Geduld zum Ziel führt.
    »Manolo?«, hake ich also sacht nach.
    »Manolo?« Karl erwacht aus seiner Trance. »Was ist mit Manolo?« Sein Ton wird richtiggehend aggressiv. Nach junger romantischer Liebe klingt das nicht.
    »Sag du es mir, Karl. Ich weiß nicht, was mit Manolo ist.«
    »Ach, Manolo ...« Endlich bricht der Damm. »Ich hatte mich so auf den Tangoabend mit Britta gefreut. Und dann kam Manolo und ich stand nur noch in der Ecke.«
    »Ich verstehe kein Wort. Wer ist denn dieser Manolo überhaupt?«
    »Der Tangolehrer.«
    »Na fein. Und wo ist das Problem? Ihr wolltet doch lernen. War der Typ eine pädagogische Niete oder was?«
    »Nee, das nun nicht gerade.«
    »Was dann?«
    Ich traue meinen Augen kaum. Schimmern hinter den dicken Brillengläsern verstohlene Tränen? »Als Britta und ich uns gerade in Positur stellen, zeigt dieser Angeber-Beau auf Britta und sagt: ›Hier ist schöne und hoch talentierte Frau. Werde ich mit ihr nun Grundlagen des Tangos erklären.‹«
    »Na gut. Aber müssen Lehrer nicht so sein?«
    »Was weiß ich. Aber ist es normal, wenn der Lehrer die Frau den Rest des Abends nicht mehr loslässt? Ich stand stundenlang wie Rumpelstilzchen in der Ecke herum.«
    Oha. Der arme Karl-Holger. Aber heißt es nicht immer, dass der Tango nur Opfer und Sieger der Leidenschaft kennt? Da scheint wohl was dran zu sein. Na gut. Gekränkte Seelen brauchen neue Reize. Negative Erlebnisse durch positive überlagern und so weiter. Also wechsle ich jäh das Thema.
    »Habe ich dir schon erzählt, dass morgen verkaufsoffener Sonntag ist? Ann-Marie und ich haben demnächst Hochzeitstag und ich kann dieses Jahr nicht schon wieder ohne Geschenk für sie auflaufen. Sollen wir morgen zusammen ins KaDeWe?«
    Der Köder ist bewusst platziert. Hatte mir doch unser kalorienverliebtes Dickerchen neulich schon einmal einen genauso langen wie sehnsüchtigen Vortrag über die legendäre Lebensmittelabteilung des KaDeWe gehalten. Die in der Tat fast sämtliche kulinarischen Freuden unserer Erde zu bieten hat. Aber der Köder verfängt nicht wirklich. Karl schaut mich nur mit traurigem Dackelblick an.
    Oh je. Der Abend scheint ihn ganz schön mitgenommen zu haben. Ich glaube, die rote Britta hat ihn schwer in Flammen gesetzt.

    Am nächsten Morgen lässt unser liebeskranker Gast erneut das Sonntagsfrühstück ausfallen und sitzt stattdessen leidend vor seiner hässlichen Bärentasse. Ann-Marie schaut ihn mitleidig an und blickt dann fragend zu mir. Ich zucke mit den Schultern.
    Was meine Shopping-Pläne betrifft, versuche ich, eine falsche Spur zu legen. Ein Geschenk ohne Überraschungseffekt ist wie ein Bär ohne Fell.
    »Ich denke, Karl und ich, wir gehen heute mal ins Museum, Schatz.«
    »Aha. Irgendein

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