Berlin Fidschitown (German Edition)
Aggregate für Lüftung, Notstrom und Wasser. Selbst der neue PVC-Belag hatte dasselbe Muster, und auch Duschkabine, Waschbecken, Spiegel und der Klodeckel aus Fichtenholz waren identisch mit der Ausstattung seiner eigenen Herberge. Nur das Wichtige , das der Oberste Befehlshaber angekündigt hatte, machte einen gravierenden Unterschied. Es ruhte auf dem geschlossenen Klodeckel, wie das Werk eines Bildhauers auf seinem Sockel.
Das Wichtige war der Kopf von Gustav Torn.
Benommen bestaunte Farang die entstellte Trophäe. Beide Ohrläppchen fehlten. Die Nase war gebrochen, und die Unterlippe gespalten. Über dem Schädel ragte wie ein Tragegriff der zusammengeknotete Pferdeschwanz auf. Dass die Lider die Augäpfel bedeckten, milderte das Grauen nur unerheblich. Trotz des Schocks war Farang seltsam erleichtert, den Kopf zu sehen, und nicht den enthaupteten Leichnam. Was – beim Antlitz Buddhas – bedeutete diese bizarre Darbietung? War es eine Warnung? Er folgte dem Obersten Befehlshaber zurück in den Schlafraum, fühlte sich wie ein Delinquent auf dem Weg zur Hinrichtung.
Der Ältere setzte sich auf das gemachte Bett. „Die wesentlichsten Informationen, die wir zur treuhänderischen Weiterführung seiner Geschäfte benötigen, haben wir“, teilte er emotionslos mit. „Aber leider verabschiedete Gus sich von dieser Welt, bevor wir alle Daten aus ihm herausholen konnten.“
Der Blick, den Farang aushielt, war eines Testamentvollstreckers würdig, der nur Schulden an die Erben zu verteilen hatte.
„So konnten wir auch deinem Anliegen leider nicht mehr bis zur vollständigen Aufklärung nachgehen“, klagte der Oberste Befehlshaber. „Er hat zwar einen Safe in seiner Wohnung zugegeben, konnte aber die Kombination nicht mehr preisgeben.“ Er erhob sich und ging auf den Gang hinaus. „Es gibt jetzt auch wahrlich Wichtigeres! Erst der Krieg, dann die Geschäfte.“
Farang schloss zu ihm auf.
„Wenn alles gut läuft, kannst du der Sache später nachgehen, mein Sohn. Einen Tresor kann man auch knacken. Wir helfen dir gerne dabei.“ Er gönnte sich ein feinsinniges Lächeln. „Du wirst das Geld für die Kompensationszahlung an die Witwe schon auftreiben, da bin ich sicher.“
Farang begleitete ihn wortlos in die Residenz und versuchte, seine weiteren Optionen zu überdenken, aber die Wege in der Bunkeranlage waren zu kurz, um zu einer klaren Erkenntnis zu kommen. Zudem wartete im Gemach des Obersten Befehlshabers ein weiterer Schicksalsschlag, als wollten böse Geister eine düstere Stunde zu einer vollends finsteren machen. Der Anblick, der sich ihnen bot, war bei weitem nicht so abscheulich wie der soeben ausgestandene, und doch zwang er den Vietnamesen in die Knie.
Mireille lag friedlich ausgestreckt und regungslos auf dem kostbaren Teppich vor dem Diwan, und selbst der völlige Zusammenbruch ihres Herrn konnte sie nicht mehr lebendig machen.
Verwirrt verfolgte Farang, wie der Oberste Befehlshaber das kleine Schwein liebkoste und ihm ein Lebenszeichen abforderte. Hatte ihn noch wenige Minuten zuvor die Kaltschnäuzigkeit des Mannes frösteln lassen, so verspürte er jetzt nur Mitleid mit ihm. Der Oberste Befehlshaber nahm außer der toten Mireille nichts mehr wahr, und obwohl alles Herzen und Streicheln erfolglos blieb, redete er weiter auf sie ein, als könne er sie damit noch einmal aus dem Jenseits zurückholen.
So tragisch der Vorfall auch sein mochte – angesichts dieser tief empfundenen Trauer, wurde Farang plötzlich klar, mit welchem entscheidenden Schachzug er sich das endgültige Vertrauen des Obersten Befehlshabers sichern und seine Mission zu einem erfolgreichen Ende bringen konnte.
83
Es waren nur fünfhundert Meter vom Einstieg am toten Ende des Karl-Heinrich-Becker-Wegs bis zum Kellerzugang unter der Villa, und Romy Asbach hatte bislang keinen einzigen Rettungstropfen geschluckt.
Trotzdem fühlte sie sich erleichtert, denn jetzt konnte es nur noch aufwärts gehen – vorausgesetzt, sie bekamen die Stahltür auf, deren Klinke Tony Rojana im Licht der Stablampen so vorsichtig nach unten drückte, als hantiere er an einer Zeitbombe. Die Tür gab nach, und er zog sie behutsam auf. Mollen-Rudi wollte die Spitze machen, aber sie winkte ihn mit der Steyr ins zweite Glied zurück, schob sich an Heli vorbei, und übernahm die Führung. Bis hierher war sie durchaus dankbar im Mittelfeld mitgeschlichen, aber außerhalb des Stollens war das ihre Aktion. Nur sie kannte die Villa von innen und
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