Berlin Fidschitown (German Edition)
Tunnelstutzen, bis sie vor einer aus Ziegeln gemauerten Trennwand standen. „Das hier ist noch ein Teil der unterirdischen Berliner Mauer zwischen dem amerikanischen und dem russischen Sektor. Sie war auf der Ostseite mit unter Putz verlegtem Signalsicherungsdraht armiert.“
„Nur gut, dass ihr in euren Tunneln kein Stromnetz hattet, sonst hättet ihr uns damals auch noch mit so einem Frühwarnsystem gequält.“
Der Captain lachte leise.
Quinn folgte ihm durch einen Mauerdurchbruch, watete hinter ihm durch einen Raum mit Maschinenschrott, in dem knöcheltief eingedrungenes Regenwasser stand, und folgte ihm über eine steile Treppe in die Tiefe.
Im Luftschutzbunker waren noch Reste der offiziellen Beschriftung zu erkennen. Sie passierten eine Stelle, an der Raum 90-99 an der Wand stand, stiegen wieder einige Stufen höher und arbeiteten sich vorsichtig durch ein eingestürztes Teilstück, bis sie vor einer kompakten Stahltür standen, an der keinerlei Schließmechanismus zu erkennen war. Der dunkelgraue Anstrich war teilweise abgeblättert, und der Rest eines in verblichenem Gelb aufgemalten Symbols, warnte vor chemischen Giftstoffen.
„Keine Gasmaske erforderlich!“, gab der Captain Entwarnung. Er zückte eine Fernbedienung, die nicht größer als ein Feuerzeug war, und drückte den Signalknopf.
Langsam und nahezu geräuschlos löste sich die Tür aus dem Dichtungsrahmen, öffnete sich nach innen und gab den Weg in einen Betongang frei, in dem eine Neonröhre leuchtete. Sie stiegen über die Schwelle, und der Captain verschloss die Tür mit einem erneuten Signal.
Ein Wachposten im schwarzen Overall nahm Haltung an, sobald der Captain ihn passierte, und sie folgten dem Gang, bis er offen in einen großen Bunkerraum mündete, in dem sich niemand aufhielt.
Das lange Rechteck des Raums war spartanisch eingerichtet. Im kalten Licht mehrerer Neonröhren diente eine aufgebockte Holzplatte als Arbeitstisch, ein Stahlfass als Hocker, sechs Feldbetten als Lager und eine Reihe Metallspinde als Schränke. Einer der Spinde stand offen. Er wurde als Waffenschrank genutzt. Was Quinn jedoch wie magisch anzog, war eine große Wandmalerei, die eine Längsseite des Raums bedeckte. Farben und Symbolik erinnerten an die indianische Kunst seiner amerikanischen Heimat. Er ging näher auf das Gemälde zu und sah es sich genauer an.
Quer durch das Bild schlängelte sich eine blaue Schlange. Unter einem goldenen Stern wurde die Schlange von einem braunen Bogen überspannt, auf dem ein Bär stand. Etwas weiter links über dem Schlangenkörper waren mehrere schwarze Kreuze eingezeichnet, und weiter nach rechts eine grüne Palme. Am äußeren rechten Rand des Gemäldes war ein grauer Fisch zu sehen, etwas darüber ein roter Omnibus und über allem schwebte, etwa in der Mitte des oberen Bildrandes, ein silbernes Flugzeug.
„Gefällt sie dir?“, fragte der Captain.
„Sie?“
„Unsere Stadtkarte!“
Am rechten unteren Eck entdeckte Quinn den Titel des Wandgemäldes.
HO CHI MINH CITY IN BERLIN
„Saigon?“
„Berlin“, korrigierte der Captain. „So, wie die Hunde aus Cholon es sich aufgeteilt haben.“
Wovon redete der Captain da? Wenn Quinn sich das Motiv etwas genauer ansah, konnte er tatsächlich eine Ähnlichkeit mit dem Stadtplan von Saigon feststellen. Es war alles etwas verzerrt und nicht ganz im Maßstab, aber die Parameter stimmten. Den Körper der blauen Schlange formten die Kanäle Tau Hu und Ben Nghe, die weiter rechts in den Saigon-Fluss mündeten. Der goldene Stern markierte die Kreuzung an der Universität, auf der mehrere Hauptverkehrsadern im Distrikt 1 zusammenliefen. Die grüne Palme wuchs im Thao Cam Vien, dem Botanischen und Zoologischen Garten. Der rote Bus kennzeichnete den Busbahnhof Van Thanh, und das Flugzeug stand für den Internationalen Flughafen Tan Son Nhat. Die schwarzen Kreuze, der Bogen mit dem Bär und der Fisch sagten ihm nichts. Wie dem auch war – was hatte das mit Berlin zu tun?
„Wir haben das alles mühevoll Stück für Stück, Information für Information zusammengetragen.“ Der Captain ging zum Arbeitstisch und breitete einen Plan von Berlin aus. Quinn postierte sich neben ihm und studierte Stadtplan und Wandgemälde, ohne dass ihm die Erleuchtung kam.
Der Captain drehte die Berlinkarte einmal um die eigene Achse und zeigte auf das blaue Band der Spree, die jetzt ebenfalls rechterhand in die Havel überging. „Die Südvietnamesen haben den Süden Berlins zum Süden von
Weitere Kostenlose Bücher