Berlin Fidschitown (German Edition)
ein kleiner runder Platz mit Sitzbänken. Er lauschte noch eine Weile. Nichts. Dann betrat er das Rondell.
Auf dem Mittelbeet ruhte ein klobiger Baumstumpf, umringt von winterharten Zierbüschen, deren Blätter ledrig-grün im Licht der Straßenlaternen glänzten. Den Schildern nach begann rechts der Karl-Heinrich-Becker-Weg, und geradeaus verlief die Zeunepromenade. Linkerhand bot sich der freie Blick in die Tiefe, auf die Rodelbahn im Park und die Gewächshäuser und den Wasserturm im Botanischen Garten, der hinter den hohen handgeschmiedeten Stäben eines Gitterzauns lag.
Er ging zurück zur Treppe und suchte die Stufen ab, bis er die Stelle fand, an der Romy Asbach sich ins Gebüsch geschlagen hatte. Er folgte ihren Spuren bis zu einer Grundstücksmauer. Vor einem Eichenstamm verloren sich die Abdrücke ihrer Sohlen in Laub und Schnee. Vorsichtshalber suchte er das Gelände noch etwas weiter ab, dann war er sicher, dass sie die Eiche als Leiter benutzt hatte. Der Baum war ein wenig verwachsen, und der unterste Ast lag in guter Reichweite. In der Gabel lag noch ein Rest formgepresster Schnee aus einer Profilsohle.
Farang streifte die Kapuze ab, zog den Reißverschluss des Anoraks auf, öffnete die Mantelknöpfe – auch den, den Heli ihm wieder angenäht hatte – und kletterte in die Eiche. Als er ein gutes Stück über der Mauerkrone angekommen war, konnte er die Stelle erkennen, an der die Lady auf dem Grundstück gelandet war. Von dort führte ihre Spur durch jungfräulichen Schnee zum Haus, das nur teilweise hinter Bäumen und Büschen zu erkennen war.
Er stieß sich ab und sprang.
Die Landung war weich. Er versank bis zu Knien und Ellenbogen, rappelte sich hoch, klopfte sich den Schnee von der Kleidung und stakste gravitätisch wie ein Reiher auf das Gebäude zu. Wenig später rang er im Schutz der Büsche nach Atem und schaute sich den Gebäudekomplex an. Im Kern war es eine alte Villa, die um mehrere moderne Trakte erweitert worden war. Auf dem Hof vor dem beleuchteten Haupteingang parkte die Limousine. Hinter der Glasfront des Wintergartens konnte er im weichen Licht der Stehlampen Romy Asbach und den Asiaten erkennen, der Gustav Torn begleitet hatte. Beide standen sich gegenüber und redeten aufeinander ein. Gebückt und auf Deckung bedacht, huschte Farang auf den Hof und scheuchte dabei ein Eichhörnchen auf, das in eine Fichte kletterte.
Die Eingangstür zum Haus stand offen und wurde durch zwei Männer blockiert, die wie Reissäcke auf der Schwelle lagen. Beide hatten schwere Treffer kassiert und waren bewusstlos. Der eine trug seinen Revolver noch im Schulterhalfter, der andere hatte eine Halbautomatik im Gürtelholster und seine Mossberg aus den Händen verloren. Sie lag einen Meter neben seinem Kopf auf der durchnässten Fußmatte. Die Mossberg war die Fabrikversion der abgesägten Schrotflinte. Farang nahm den Pistolengriff der Pumpgun in die Linke und stieß beide Männer mit der Fußspitze an.
Keine Reaktion.
Er ging in die Hocke und holte sich den Revolver. Es war ein Smith & Wesson .357 Magnum. Favorit der Highway Patrol. Die Waffe hatte angeblich genug Feuerkraft, um die Limousine, die auf dem Hof stand, in voller Fahrt zu stoppen. Auch so ein amerikanisches Märchen, das alle Welt gerne glaubte – ganz besonders die Thai-Bullen. Farang hatte es nicht mit Revolvern, nicht nur wegen der geringen Schusszahl. Er steckte die Waffe in die Manteltasche und holte sich die Pistole, eine 9 Millimeter, ebenfalls von Smith & Wesson. Die Jungs mussten einen Werbevertrag mit der Firma haben. Was wollte man mehr. Unbewaffnet hatte er sich noch nie richtig wohl gefühlt. Er liebte unkomplizierte Lösungen. Hier bot sich eine an. Er griff zu, überprüfte die Waffe und behielt sie in der Rechten, als er über die beiden Männer stieg.
Auf der Schwelle zögerte er.
Er ging zur Limousine zurück. Der Schlüssel steckte. Er schleifte die beiden Männer zum Wagen, wuchtete sie in den Kofferraum, schlug die Klappe zu und schloss ab.
Erneut auf der Türschwelle, konnte er sich nur mit Mühe verkneifen, den Schnee von den Sohlen zu trampeln. Behutsam betrat er die Eingangshalle. Die Villa war gut geheizt, die Tür zum Wohnzimmer nur angelehnt. Daneben brannte eine einsame Stehlampe, die den großen Raum nur spärlich ausleuchtete. Die Glasschiebetür zum Wintergarten stand ein Stück weit offen. Romy Asbach und ihr Gesprächspartner waren zwar nicht richtig zu sehen, dafür aber gut zu hören.
Noch
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