Berlin Fidschitown (German Edition)
Schlag warf sie gegen eine Stehlampe, und sie ging mit Leuchte und Rattantisch zu Boden. Der Keramikfuß der Lampe zerplatzte auf den Kacheln in einen Scherbenhaufen, aber weder das noch Farangs gebrülltes Kommando war im Lärm der laufenden Zeitansage zu hören, als der Vietnamese nach der Pistole tauchte, die einige Meter weiter auf dem Boden lag.
Noch bevor er die Waffe erreichte, stellte das Kuckucksvolk seine Arbeit ein, und in der plötzlichen Totenstille kam das metallisch-kalte Durchladegeräusch, mit dem Farang eine Schrotpatrone in Feuerposition pumpte, besonders bösartig zur Geltung. Der Mann im Maßanzug resignierte und blieb – wie auch Romy Asbach – vorsichtshalber liegen.
Farang klangen noch die Ohren. „Gute Vovinam-Einlage“, sagte er anerkennend zum Vietnamesen.
„Wo-wie-was?“, krächzte Romy Asbach und tastete ihren Hals ab.
„Welcher Gürtel?“, fragte Farang den Vietnamesen.
„Gelb.“
„Nicht schlecht.“ Er hatte sich mit seinem Muay Thai nie gegen einen Vovinam-Kämpfer bewähren müssen, und wenn er ehrlich war, zog er, in Situationen wie dieser, auch Waffengewalt vor.
Der Vietnamese entspannte sich und machte das Beste aus seiner Position. Obwohl er mit dem Hintern auf dem Boden saß, arrangierte er sorgfältig seine Kleidung, und klopfte lässig etwas Staub vom Jackenärmel. Dann zog er den Krawattenknoten auf und öffnete den Hemdknopf, als sei dies der Lage angemessener. Dabei nahm er Romy Asbachs Blick auf. „Vo-Vi-Nam-Viet-Vo-Dao“, betonte er langsam für sie, „ist eine Kampfkunst aus meiner Heimat, die über zweitausend Jahre alt ist.“
„Soll mich das trösten?“
Der Vietnamese ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. „Eine Angriffsverteidigung, die uns schon in beiden Indochinakriegen gute Dienste geleistet hat.“
„Diesmal ist es wohl eher in die Hose gegangen.“ Sie sah Farang an. „Müssen wir das auf dem Fußboden erörtern?“
Er lächelte freundlich. Wenn sie sich aus der Zeit in Bangkok an ihn erinnerte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Er hielt den Vietnamesen mit der Pumpgun in Schach und bückte sich nach der Pistole. Eine Steyr GB. Da seine Manteltaschen bereits voll ausgelastet waren, steckte er die Halbautomatik in den Anorak. Sein Waffenarsenal hatte inzwischen Italo-Western-Niveau, und er fühlte sich etwas unbeweglich.
„Setzen wir uns doch ins Wohnzimmer.“ Mit dem Lauf gab er die Richtung vor, dirigiert das Paar auf ein Sofa, in dem es tief genug versank, und nahm wieder im Ohrensessel Platz. „Kommen wir zu der offenen Frage des Abends zurück“, wandte er sich an den Vietnamesen.
Der Hausherr begnügte sich mit einer blasierten Miene.
„Wo ist Gustav Torn?“, half ihm Farang auf die Sprünge und sah dabei die Frau an, die sich ein leises Grinsen nicht verkneifen konnte.
Der Hausherr schwieg trotzig.
Mit einer einzigen Schrotgarbe putzte Farang ein gutes Drittel der Kuckucksuhren von der Wand. Die Geräuschkulisse stellte das Konzert zur vollen Stunde weit in den Schatten.
Der Vietnamese riss die Arme hoch und rief: „Sind Sie verrückt?“ Dann fand er zur alten Überheblichkeit zurück. „Sie wecken noch die Fledermäuse auf.“ Er ließ die Arme sinken und lächelte herablassend.
„Fledermäuse? Was soll das? Wo ist Torn?“ Farang lud nach. „Ich hab noch sieben von den Dingern.“
„Ich weiß wirklich nicht, wovon sie reden, und Fledermäuse sind übrigens in meiner Heimat Glücksbringer.“
Farang wandte sich an Romy Asbach: „Sind Sie sicher, dass der Typ ganz richtig im Kopf ist?“
„Er versucht nur abzulenken.“ Sie hielt sich die Ohren zu.
Farang verzichtete auf weitere Munitionsverschwendung. Er erhob sich, setzte dem Mann die Mündung direkt auf die Stirn und befahl der Frau: „Setzen Sie sich in den Sessel. Das spritzt.“
Der Blutverlust im Kopf des Opfers war bereits jetzt beeindruckend.
Farang starrte fasziniert in das leichenblasse Gesicht und sang leise: „Schneeglöckchen, Weißröckchen ...“
Die Mundwinkel des Vietnamesen zuckten nervös.
„ Flöckchen. “ Romy Asbach erhob sich vorsichtig.
Farang schaute sie irritiert an.
„Es muss Schneeflöckchen heißen!“
Der Vietnamese zitterte mittlerweile am ganzen Körper. „Sie sind beide komplett wahnsinnig“, flüsterte er, hart am Rande der Panik.
Romy Asbach ging zum Sessel.
Der Vietnamese krächzte: „Das ist eine Hinrichtung!“
„Noch leben Sie ja.“ Romy Asbach setzte sich. „Es ist nur eine Befragung,
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