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Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max

Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max

Titel: Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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bewusst, in der sie fast wie ein Kind auf seinem Schoß saß. Aber sie wollte die Nähe, die sie dadurch zwischen ihnen hergestellt hatte, nicht wieder aufgeben.
    „Weißt du, was das heißt?“, fuhr er beinahe gedankenverloren fort. „Wenn keiner von uns Schuld an irgendwas hat? Das heißt, dass man ganz anders handeln kann, als wir bisher immer geglaubt haben.“ Sein Blick war jetzt starr auf sie gerichtet, aber sie hatte das Gefühl, er würde sie gar nicht mehr richtig wahrnehmen. „Seit Ewigkeiten haben sich die Menschen von der Furcht knechten lassen, sie könnten etwas Böses tun. Von der Vorstelllung, sie könnten wählen, was sie tun wollen - und sollten das Rechte tun. Ein Irrtum, ein Wahn! Na schön! Aber was heißt das?“ Seine Hände schlossen sich um ihre Ellbogen. „Das heißt, dass wir endlich in jene dunklen Schluchten hinableuchten können - ja müssen! - die die Menschen bisher immer gemieden haben!“
    Es war Wahnsinn, was er da sagte - und zugleich kam es Irina so vor, als würden ihn diese Gedanken wie von innen beleuchten. Auch wenn sie sich vor dem fürchtete, was er da wie entrückt von sich gab, konnte sie doch nicht umhin, zu sehen, wie sich Quentins Gesicht beim Reden straffte, die ohnehin markanten Züge noch einmal vertieften. Wie die Ideen, die ihm zuzufliegen schienen, während er sprach, sein Gesicht geradezu adelten. Knochig trat seine Stirn hervor, die Wangenknochen standen scharf ab, die Augen leuchteten blau - in einem Blau, das in Irina die Sehnsucht, sein Gesicht mit Küssen zu bedecken, stärker noch werden ließ, als die Angst davor, er könnte sich in seinen Reden verlieren. Aber sie gab sich dieser Sehnsucht nicht hin, sondern schwang ein Bein über seinen Schoß, sodass ihre beiden Füße auf einer Seite des Liegestuhls herabhingen, und legte sich in seinen Arm.
    „Die Menschen haben sich so lange schon davor gefürchtet, die Dinge zu tun, die angeblich verboten sind! Sie sind gar nicht auf die Idee gekommen , dass es phantastisch, spannend, ja geradezu edel sein könnte, genau in diese Schluchten hineinzuleuchten! Genau das aber war ein Fehler“, hörte sie Quentin sagen. „Wenn es keine Schuld gibt, keine Freiheit, kein Verbrechen, Irina, dann ist es genau das, was wir ausloten müssen: Wie weit kann man kommen in dem Bereich, der immer als das Böse bezeichnet worden ist - der aber nicht böser ist als alles andere?! In Wahrheit, Irina, gibt es das Böse nicht! Oder besser gesagt: Natürlich gibt es einen Bereich, der das Böse genannt wird - nur ist es falsch, dass dieser Bereich bewertet wird. Alle Bereiche - ALLES! - ist gleich gut oder gleich böse, kannst du mir folgen?“
    Irina rollte mit den Schultern. Es konnte so schlimm nicht sein. Was er sagte, klang entsetzlich, aber er hielt sie dabei fest. Es war nur eine Theorie, es waren Worte, wirre Gedanken, mehr nicht.
    „Wie tief kann man vordringen in das, was früher verboten war - was aber doch viel interessanter ist, als der Bereich des sogenannten Guten? Interessanter - warum? Weil es so lange gemieden wurde! Wie tief kann man da kommen? Was überhaupt gehört dazu? Andere töten? Andere quälen?“ Er atmete aus, sprach aber sogleich weiter. „Wie funktioniert das Quälen denn? Indem ich den Kopf von jemandem in eine Stahlpresse zwänge? Indem ich seinen Bauch mit Jauche vollpumpe? Indem ich mit seiner Frau schlafe?“
    Sie schnellte hoch, stützte sich auf seiner Brust ab. Seine Augen brannten, sein Gesicht war verzerrt. „Es ist nicht deine Schuld“, rief er, „glaub mir, Irina, ich sage das nicht nur so dahin. Im Gegenteil: Vielleicht bin ich Max dankbar dafür, dass er einen Schritt in diese Richtung gemacht hat! Nur sind wir noch lange nicht weit genug!“
     


     
    Till warf die Tür seines Büros mit Schwung hinter sich zu. Es knallte regelrecht, aber das machte ja nichts. Auf dem Flur befand sich ohnehin niemand mehr. Außerdem gingen in der Firma sowieso nicht immer alle auf Zehenspitzen. Im Gegenteil: Tagsüber hörte man lautes Reden, Lachen, öfter hitzige Diskussionen. Türen wurden zugeworfen, Telefonhörer aufgeschmissen, man rief sich von einem Büro zum anderen etwas zu. Till gefiel das. In der Mehrzahl waren seine neuen Kollegen jung, gut gelaunt und mit vollem Einsatz bei der Sache. Es war lebendig, es gab etwas zu lachen.
    „Herr Anschütz?“
    Felix‘ Sekretärin hatte ihn an ihrem Zimmer vorbeilaufen gesehen und auf den Flur gerufen. Till blieb stehen und steckte den

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