Berlin Gothic 5: Nachts Bei Max
sich vorsichtig dem Liegestuhl genähert. Als sie von hinten eine Hand auf seine Schulter gelegt hatte, war Quentin beinahe erschrocken zusammengefahren.
Er setzte das Glas wieder ab, wischte sich über den Mund und sah sie mit entwaffnender Offenheit an. Im gleichen Moment wusste sie, dass es richtig gewesen war, nach Hause zu kommen.
„Was passiert ist, war ein Fehler, Quentin, ich weiß, ich liebe dich, ich will dich nicht verlieren.“ Die Worte sprudelten nur so aus ihr hervor. Sie hockte sich neben ihn auf den Terrassenboden, umfing sein Bein und legte ihren Kopf auf seinen Schoß. Gleichzeitig spürte sie, wie seine Hand sanft über ihr Haar streichelte.
„Versprichst du mir, dass du mir einen Gefallen tust?“, hörte sie ihn sagen.
„Was du willst, Quentin, was du willst.“
Er streichelte sie weiter. Irina drehte ihren Kopf ein wenig, um ihm ins Gesicht schauen zu können. „Was ist es? Sag, was ich für dich tun kann - ich mach es.“
Seine Augen ruhten auf ihr. Sie sah, dass er noch immer aufgewühlt war, sich inzwischen jedoch einigermaßen im Griff hatte. Die Verzweiflung, die Panik, die ihn geritten hatten, als sie aus der Wohnung geflohen war, waren aus seinem Blick verschwunden.
„Ich sag dir Bescheid, wenn es soweit ist.“
Sie nickte. Wartete einen Moment. War es wirklich eine gute Idee, zu Max zu gehen?
„Wollen wir nicht einen Ausflug machen? Aufs Land, nach Potsdam, raus aus der Stadt!“, schlug sie vor. „Der Frühling beginnt, es ist so schön, wir könnten einen Spaziergang machen, über ein Feld, ich könnte uns ein Picknick einpacken!“
Er schaute sie an. „Ich möchte gern zu der Einladung von Max heute Abend.“
„Aber warum denn? Was soll das denn bringen? Das kann doch nur furchtbar werden!“
Er spitzte die Lippen, hörte aber nicht auf, sie zu streicheln.
„Was hast du denn vor, Quenni, willst du Max verprügeln? In seiner eigenen Wohnung?“
Quentin verzog das Gesicht, wandte den Blick ab, ließ ihn wieder über die Balustrade schweifen.
Sie stemmte sich auf seinem Bein hoch, kletterte regelrecht auf seinen Schoß, umschlag seinen Hals, mit ihren Beinen seine Hüften, so dass sein Gesicht beinahe ihre Brüste berührte. Sie zog ihren Kopf zwischen die Schultern, um ihre Augen auf die Höhe seiner Augen zu bringen, schon berührten sich ihre Nasenspitzen - das hatten sie früher oft so gemacht. „Was willst du denn dort? Reicht nicht aus, was schon passiert ist?“
„Weißt du eigentlich, um was geht?“, flüsterte er.
Ihr fröstelte. „Es geht um uns, Liebster, darum, dass wir uns nicht verlieren.“
„Auch um das, was Felix macht, um das, was uns alle, Malte, Henning - und letztlich auch Max umtreibt.“
Irina wollte nicht, dass er wieder davon anfing: Von dieser Obsession, dieser fixen Idee, dieser Verwirrung, aus der heraus Quentin auch am Vormittag schon wie ein Rasender auf sie eingeredet hatte. Sie wusste, dass sie ihm nichts entgegensetzen können würde, wenn er sich erneut darin verbiss, dass er nicht auf sie hören würde, weil er wie vernagelt war, wenn es darum ging. Dass er nur noch das, was ihm dazu einfiel, herausschreien, herausbrüllen wollen würde - als würde er dadurch, dass er es von sich schleuderte, nur noch mehr davon überzeugt, wie wichtig es war und wie sehr sich ihrer aller Leben verändern würde, wenn sie das nur endlich begriffen!
„Du hast keine Schuld an dem, was passiert ist“, flüsterte er, „Max hat keine Schuld. Deshalb macht es auch nichts - “
„Und warum muss ich dir dann versprechen, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst?“
„Dass du mir einen Gefallen tust, wenn ich dich darum bitte, Irina - das ist es, was du mir eben versprochen hast.“
„Meinetwegen - aber warum? Warum muss ich dir das versprechen - wenn all das, was passiert ist, nichts ausmacht … “
„Du musstest es mir ja nicht versprechen. Du hast es getan. Aber habe ich dich dazu gezwungen? Nein. Du hast es getan, weil du es tun wolltest. “
Sie schauderte. Begann er schon wieder abzudriften in jene Bereiche, vor denen ihr graute, in denen sie ihn nicht mehr erreichen konnte?
„Ihr habt keine Schuld, ich hab keine Schuld, niemand hat jemals die geringste Schuld an irgendetwas gehabt.“ Quentin hatte den Kopf, den er ihr entgegengereckt hatte, als sie auf ihn geklettert war, wieder zurück gegen die aufgestellte Lehne des Liegestuhls fallen lassen. Unwillkürlich wurde sich Irina der beinahe lächerlichen Position
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