Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)
gleichen Fehler begehen.
Und niemand wird mich davon abhalten können.
Das ist es: Die versteckte Bedeutung von Xavers Text - nicht das, was Felix damit vorhat!
5
Vor zwei Jahren
„Was du mir erzählt hast, ist doch viel schlimmer! So etwas würde ich doch nie machen!“
Nina schreckte hoch. Spitzte die Ohren. Stimmengemurmel. Plötzlich:
„NEIN! Ich bin … hör mal, ich bin vielleicht verrückt … aber das, was du da erzählt hast, ich würde gar nicht in so eine Lage kommen, verstehst du? Ich würde viel früher … sozusagen aus den Augen verlieren, was ich eigentlich vorhatte … “ Die Stimme verlor sich wieder, der Mann hatte sich offenbar in ein anderes Zimmer begeben.
Nina drehte sich im Bett um und warf einen Blick auf den Wecker. Kurz nach halb neun. Das Bett schwankte leicht. Sie war allein. Vorsichtig richtete sie sich auf und glitt von der Matratze herunter. Sie kannte die Stimme, die sie gehört hatte. Es war nicht die Stimme von Max, es war die von Boll. Sie konnte Lennart nicht ausstehen. Sie fand ihn auf eine gewisse Weise geradezu abstoßend, zog es vor, einen Raum zu verlassen, wenn er sich darin aufhielt. Max aber schien Bolls Nähe regelrecht zu suchen. Nie wies er ihn ab, wenn Boll auftauchte. Im Gegenteil: Immer öfter gingen die beiden abends noch weg - selbst wenn Nina gerade zu Besuch war. Wie gestern Abend. Seitdem Max sich flüchtig von ihr verabschiedet hatte, hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Aber Nina vermutete, dass Max nicht weit sein konnte, wenn sie schon Bolls Stimme hörte.
Sie warf einen leichten Morgenrock über, der auf einem Stuhl neben dem Bett lag, und öffnete die nur angelehnte Tür ganz.
„Findest du das jetzt toll, oder was?“, kam ihr nun auch Max‘ Stimme aus der Küche entgegen.
„Nein, ‚toll‘, ich weiß nicht … “ Das war Boll. „Ich meine … ich kann mir schon vorstellen, dass dich das quält, dass du manchmal zusammenfährst, und dann ist es wieder da, das Gefühl … ja: etwas falsch gemacht zu haben, oder so. Dass es besser gewesen wäre, wenn du es nicht getan hättest. Auf der anderen Seite aber: was soll‘s?! Es ist geschehen. Wer weiß, wozu es gut ist - “
„ Gut ist?“
„Ja, gut ist. Es ist doch sozusagen in dich eingegangen, oder?“
Boll hatte bereits mehrfach in Max‘ Gästezimmer übernachtet und Nina hatte wiederholt versucht, mit Max darüber zu sprechen, dass ihr nicht wohl dabei sei. Aber Max war ihr immer ausgewichen. Und dann war sie sich auch wieder dumm vorgekommen: Schließlich war es seine Wohnung, da konnte Max doch übernachten lassen, wen immer er wollte.
Sie war ein paar Schritte von der Küchentür entfernt im Flur stehen geblieben, unschlüssig, ob sie zu den beiden Männern hineingehen sollte.
„Du hast es gemacht, du hast erlebt, wie es aussah, gefühlt, wie es sich anfühlt … ich kann mir schon denken, dass das nicht für jeden etwas ist … Aber es ist … stark, oder Max? Ist es nicht so? Es ist stark. “
Was sie hörte, war ihr unheimlich. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ausgerechnet jetzt zu den beiden in die Küche zu platzen.
Fast eine halbe Stunde später, nachdem sie sich wieder ins Bett gelegt hatte, hörte sie, wie jemand durch den Flur kam. Instinktiv schloss Nina die Augen. Die Schritte klangen etwas wacklig, sie hatte fast den Eindruck, als würde sich derjenige, der auf das Schlafzimmer zukam, an der Wand abstützen müssen. Die Tür wurde aufgestoßen. Die Schritte kamen an das Bett und jemand setzte sich in die kleine Bucht, die ihr Körper unter der Decke aussparte.
Nina hörte es schnaufen und daran, wie das Bett schwankte, bemerkte sie, dass sich der Besucher vorgebeugt hatte, um seine Schuhe aufzubinden. Ohne ihre Position zu verändern, schlug sie die Augen auf.
Gottseidank ist es nicht Boll, schoss es ihr durch den Kopf, als sie Max neben sich sitzen sah. Zugleich mischte sich in diese Erleichterung jedoch Befremden, denn ihr fiel auf, dass Max‘ Gesicht irgendwie verändert wirkte. Eingefallener? Bleicher? Gealtert?
„Max.“ Sie hatte nur geflüstert, aber er zuckte zusammen - und wandte ihr seinen Kopf zu.
Nina prallte regelrecht zurück.
Es war, als hätte er die oberste Schicht seines Gesichts heruntergerissen, um darunter dieses freizulegen.
Unwillkürlich riss sie den Unterarm vor den Mund und holte tief Luft.
Seine Lippen verzerrten sich, spitz stachen die Mundwinkel unter den Nasenflügeln hervor. „Was für eine Nacht,
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