Berlin Gothic 6: Die versteckte Bedeutung (Thriller)
Süße.“
Nina stemmte die Beine in die Matratze und schob sich auf das Kissen, auf dem sie gelegen hatte. Ihre Hand fingerte nach der Nachttischlampe und schaltete sie ein. Als ihn der Lichtschein in dem abgedunkelten Raum traf, hatte Max sich bereits abgewendet.
„Ich muss erstmal schlafen“, hörte sie ihn murmeln.
„Ist … ist was passiert? Du siehst ziemlich fertig aus.“
Sie starrte auf seinen Rücken.
„Alles okay, Süße, alles bestens.“
Er hatte begonnen, seinen Gürtel aufzuschnallen, stieg aus den Hosen, ohne sich umzudrehen.
„Wo wart ihr denn?“
Max lachte. „Komm, erzähl ich dir morgen … “
„Es ist morgen.“
Er warf die Hose auf einen Stuhl, begann sein Hemd aufzuknöpfen.
„Lennart schläft hier?“
„Hmhm.“
„Max … weißt du, ich … ich mag ihn nicht. Tut mir leid, aber … ich glaube, er ist nicht gut für dich.“
Max zog sein Hemd aus, warf es ebenfalls auf den Stuhl. Dann streifte er die Boxershorts ab und drehte sich um. Sein Körper war bleich, die Knochen schienen aus seinem Fleisch herauszustehen. Das kurz geschnittene Haar stand vom Kopf ab. Am meisten aber fesselten sie seine Augen, die tief in die Höhlen gesunken waren. Er machte einen Schritt auf das Bett zu und schlug die Decke auf. Am liebsten wäre sie aufgestanden, doch in dem Zustand, in dem er sich befand, wollte sie lieber nicht so schroff sein.
Er legte sich neben sie, schlug die Decke über sich, atmete aus. „Lass uns ein andermal reden, okay?“
Aber es würde immer so weiter gehen, wenn sie nicht endlich anfing zu sprechen. „Max, du siehst richtig verändert aus … was … habt ihr was genommen?“
Max hatte die Augen geschlossen.
Ärgerlich schlug Nina die Decke zurück, rollte sich auf der anderen Seite jetzt doch von der Matratze und drehte sich um. „Ist ja okay, wenn du schlafen willst, aber wie stellst du dir das denn vor?“ Und über was habt ihr gerade in der Küche gesprochen? „Soll ich dabei zusehen, wie du dir immer mehr Nächte mit Lennart um die Ohren schlägst und dabei aussiehst wie ein Gespenst?“
„Komm, übertreib nicht … “
„Ich will, dass er nicht mehr bei uns schläft.“
Max schlug die Augen auf, sah sie an, lächelte - aber hinter seinen Pupillen, so kam es ihr vor, lauerte noch etwas anderes. Eine seltsame Bodenlosigkeit, Verzweiflung, Unsicherheit, Verletztheit, sie wusste es gar nicht zu benennen. Es war auch nicht etwas, das sie noch nie an ihm bemerkt hätte, nur kam es ihr an diesem Morgen so vor, als wäre dieser Aspekt seiner Persönlichkeit, der bisher immer abgemildert, tiefer verborgen darin geschlummert hatte, zum ersten Mal in den Vordergrund getreten.
„Lennart pennt normalerweise bei einem Kumpel auf der Couch im Wohnzimmer“, sagte Max und es wirkte, als würde er sich bemühen, ruhig zu bleiben. „Wenn er also mal hier übernachtet, hilft ihm das, weil er seinem Kumpel nicht andauernd auf den Wecker fällt. Und bei mir … oder bei uns - das sind doch jede Menge Zimmer! Warum sollte ich ihm sagen: Nein, wir brauchen die ganze Wohnung für uns? Das ist doch Blödsinn!“ Max richtete sich ein wenig auf und stützte sich auf einen Ellbogen. „Ich kann verstehen, was du meinst. Jeder normal fühlende Mensch denkt bei Lennart wohl erstmal: Was ist das denn für ein Vogel?! Aber … so doof ist er gar nicht, weißt du? Er … er ist kein Arschloch. Und er hat nicht gerade viel Glück gehabt bisher.“
Nina hatte sich auf den Stuhl gesetzt, auf dem ihre Sachen lagen, den Morgenrock um sich geschlungen.
„Ich hab das Gefühl, es ist in Ordnung, wenn ich mich ein bisschen um ihn kümmere“, hörte sie Max sagen.
„Ach, was heißt denn das?! Kümmern! Du gehst nachts mit ihm weg, ihr pfeift euch was ein - was kümmerst du dich denn da!“
Max lachte und ließ sich zurück auf den Rücken sinken. „Hast du nicht manchmal das Gefühl, es ist NICHT okay, wie wir an allem vorbeigehen? An dem, was in der Welt passiert, an dem Bettler, an dem, was wir den Tieren antun?“
Nina sah, wie er an die Decke blickte. „Und was hat das mit Lennart zu tun?“
„Ich dachte, warum soll ich es nicht mal probieren? Dass ich an ihm nicht vorbeigehe.“
Nina zog den Morgenmantel enger um sich. „Und ab morgen gibt’s auch kein Fleisch mehr, oder was?“
Max antwortete nicht.
„Max … wo … wo soll das denn hinführen … “
„Keine Ahnung.“
„Was meinst du denn, willst du ein besserer Mensch werden - ich verstehe nicht -
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