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Berlin Gothic: Thriller

Berlin Gothic: Thriller

Titel: Berlin Gothic: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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badet geradezu in dem Sauerstoff, den er in sich hineinsaugt. Er erlebt, wie die Luft durch seine Adern rinnt, ihn belebt, erfrischt, durchdringt - lacht - spitzt die Lippen, um die Luft auch beim Ausatmen noch zu spüren …
    und sinkt zurück auf das Kissen. Die Augen offen jetzt.
    Über ihm schimmert hinter Metalllamellen eine Neonlampe an der Decke.
    Das Klappern eines Esswagens … entfernte Stimmen … quietschende Gesundheitsschuhe …
    Er dreht den Kopf zur Seite. Neben seinem Bett steht ein Nachttisch, darauf ein Plastikbecherchen, eine Wasserkaraffe. Sein Blick wandert durch das Fenster, das sich hinter dem Nachttisch öffnet und bis auf den Boden herunter reicht. Ein Baum ist durch die Scheibe hindurch zu sehen, die Äste in vollem Grün.
    Sie haben ihn rausgeholt. Der Sand war in seinen Mund gerutscht, hatte sich unter seiner Lider geschoben. Er hatte die Erschütterungen gespürt, als das schwere Gerät die Erdmassen beiseite geschleudert hatte. Gebetet. Gefürchtet, die Schaufel des Baggers könnte ihm den Schädel zertrümmern. Er hatte gefühlt, wie die Luft durch die letzten Sandschichten hindurch plötzlich zu ihm gedrungen war, seinen Arm ausgestreckt und den Sand durchbrochen, die Rufe der Männer gehört und erlebt, wie sie ihn herauszerrten …
    Er hört, wie es hinter ihm klickt. Aber er ist zu schwach, um sich umzudrehen.
    Absätze klackern - dann taucht sie in seinem Blickfeld auf. Sein Gesicht spannt sich, er sieht sie an sein Bett treten. Vorsichtig, katzenhaft, die Hand nach seinem Arm ausstreckend. Sein Blick wandert über ihr Gesicht.
    Wie schön sie ist.
    „Claire“, seine Stimme klingt wie eine rasselnde Blechbüchse.
    „Ja.“
    Er will sich aufrichten, aber sie drückt ihn sanft zurück auf die Matratze.
    „Claire“, er bekommt seine Stimme nicht unter Kontrolle und spürt, wie ihr brüchiger Klang sein ganzes Wesen anzustecken scheint. „Claire, ich … “ Butz legt den Kopf zurück aufs Kissen, sieht von unten zu ihr herauf, empfindet ihre Erscheinung als so reizvoll, dass es ihn geradezu schmerzt - und hört sich endlich die Worte finden, nach denen er gesucht hat. „Ich liebe dich, Claire“, flüstert er. Vielleicht klingt es banal - aber es ist so. Er weiß nicht, wie er es sonst sagen soll.
    Ihre Augen ruhen in seinem Blick.
    „Willst du mich heiraten?“ Er kann selbst nicht glauben, dass er das wirklich gesagt hat. Aber er ist dem Tod zu nahe gewesen, als dass er sich gegen den Impuls, es auszusprechen, noch hätte wehren wollen.
    Doch sie zögert.
    Und Butz wendet den Blick ab.
    Niemand sagt etwas, doch in seinem Inneren tobt es. Er ist fast Ende Fünfzig und hat noch nie eine Frau gefragt, ob sie ihn heiraten will. Hier im Krankenhaus? Was für ein Esel! Wie konnte er sich derartig von seiner eigenen Schwäche in die Irre führen lassen!
    Butz spürt, wie Claire sich zu ihm auf die Matratze setzt.
    „Ich denk drüber nach, ja?“, hört er sie neben sich sagen.
    Butz nickt, ohne zu ihr zu sehen.
    Natürlich. Es eilt ja nicht.
    Aber er weiß, dass er einen Fehler gemacht hat.
     


     
    „Es gab etwas an dieser Leiche, das … “, Butz atmet aus, sucht nach Worten, „ … das mich an einen anderen Fall erinnert hat.“
    Claire hat ihm seine Frage nicht beantwortet. Ob sie ihn heiraten will. Jetzt steht es zwischen ihnen und jeder Augenblick, der verstreicht, ohne dass sie ihm antwortet, ist im Grunde genommen unerträglich. Soll er versuchen, sie noch zu überzeugen? Soll er sich schon daran gewöhnen, dass sie ihn ablehnen wird? Hat sie ihm ihre Antwort nicht schon gegeben, in dem sie nicht ‚ja‘ gesagt hat? Butz weiß, dass Claire es auch so empfindet, als eine Qual, die sie ihm zufügt, dass sie das belastet, dass er sie belastet …
    Gewaltsam schiebt er die nagenden Gedanken beiseite. „Man hat ihr die Bohrmaschine in den Magen gerammt, Claire.“ Er versucht, sich auf den Fall zu konzentrieren. „Das … es ist nicht … wie soll ich sagen - es weicht ab von der Norm. Also von der Norm des Verbrechens, verstehst du? Das hat mit Enthemmtheit zu tun, mit Rücksichtslosigkeit, auch mit Sinnlosigkeit … “ Sein Blick wandert aus dem Fenster. „Es ist noch gar nicht so lange her, drei, vier Wochen vielleicht. Eine Leiche auf einem Parkplatz, ein Kollege war mit dem Fall betraut. Er hat mir die Fotos gezeigt … “
    Er hört, wie Claire Luft holt, ahnt, dass sie überlegt, ob sie sich das wirklich anhören will. Anscheinend will sie ihn jedoch auch

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