Berlin Gothic: Thriller
Problem.“ Butz lächelt. „Es geht mir ja nicht um den Bauleiter.“ Er spürt, wie ihm der Unfall noch in den Knochen steckt, aber er will sich davon nicht ablenken lassen. „Wichtig ist für mich der Stollen, den ich gestern untersucht habe.“
Der Mann hinter dem Metalltisch hat die Hände flach auf die Platte vor sich gelegt und sieht ihn ruhig an.
„Wir müssen diesen Gang untersuchen“, insistiert Butz, aber der Mann vor ihm schüttelt bereits mit dem Kopf.
„Haben Sie sich die Stelle heute schon angesehen“, fragt er, „an der meine Leute Sie gestern rausgeholt haben?“
„Noch nicht … “, setzt Butz an, wird aber vom anderen unterbrochen.
„Entschuldigen Sie, Kommissar, aber das ist nichts, worüber wir noch diskutieren können. Ich bin froh, dass gestern Nacht nicht noch mehr Schaden angerichtet worden ist. An den Stollen kommen Sie jetzt aber nicht mehr ran.“
„Wieso?“
„Das gesamte Gelände ist abgesackt. Was verlangen Sie denn von uns? Dass wir die Arbeiten drei Tage ruhen lassen und die ganze Böschung aufreißen?“
Hmmmmmpfffffffffff - für einen Augenblick kommt es Butz so vor, als bekommt er keine Luft.
„Außerdem mussten wir dort bereits gießen.“
„Was gießen?“ Butz zwingt sich, ruhig zu atmen, spürt, wie ihm der Schweiß auf die Stirn tritt.
„Beton.“ Der Mann streicht sich eine Augenbraue glatt. „Es regnet in einem fort, das Terrain ist komplett aufgeweicht. Durch das Abtragen der Böschung - um Sie da rauszuholen - ist der ganze Abhang instabil geworden. Wissen Sie, was es bedeutet, wenn die Böschung - das sind acht, zehn Meter? - wenn die auf das Fundament, das bereits gelegt worden ist, herunterrutscht?“
Seine blauen Augen sehen Butz ruhig an. „Wir mussten den Rand der Bodenwanne so schnell wie möglich weiter hochziehen, um größere Komplikationen zu vermeiden. Und das haben wir auch getan.“
Der Boden vibriert, als der Radlader mit Höchstgeschwindigkeit die Sandpiste an ihm vorbei in die Baugrube brettert. Butz sieht das Gesicht des Fahrers hinter der Plastikscheibe an sich vorbeiwischen. Der Mann beachtet ihn gar nicht.
Butz setzt seinen Weg fort. Als er das Ende der Piste und die Bodenwanne erreicht, sieht er es. Dort, wo gestern Nacht noch die Böschung hinter dem Rand der Wanne zu sehen war, erhebt sich inzwischen eine Verschalung gut fünf Meter weit vom Fundament aus in die Höhe.
„Aber das Nachbargrundstück ist bebaut.“ Er hört sich noch auf den Bauingenieur einreden. „Von dort aus kommen wir an den Stollen auch nicht mehr heran.“
„Kommen Sie mit einem Beschluss wieder, dass die Wand der Bodenwanne nochmal eingerissen werden muss, Herr Butz. Dann machen wir das. Bis dahin“, und mit diesen Worten hat der Bauingenieur ihn zur Tür des Containers geführt, „werden Sie Verständnis dafür haben, dass ich die Arbeiten vorantreiben muss - und nicht einreißen kann, was wir mit einem erheblichen Mehraufwand gerade so schnell wie möglich hochgezogen haben!“
Butz beobachtet, wie die Arbeiter einen Schlauch dirigieren, aus dem manndick Zement in die frische Verschalung schießt. Die Erläuterungen des Ingenieurs haben plausibel geklungen, und doch wird er das Gefühl nicht los, dass es nicht wirklich zwingend war: Dass es vielleicht doch möglich gewesen wäre, einen Zugang zum Stollen zu schaufeln - statt ihn für alle Zeit zu verschließen!
BERLIN GOTHIC 1
Vierter Teil
1
„Hast du Mama davon erzählt?“
„Natürlich nicht!“ Claire lehnt sich auf dem Sessel zurück, den Lisa ihr angeboten hat. „Aber ich muss mal mit jemandem darüber reden, es geht mir die ganze Zeit im Kopf herum.“
„Klar … ich meine, das kann ich verstehen.“ Lisa schenkt ihrer jüngeren Schwester aus der Teekanne nach. Sie haben in der Sitzecke beim großen Fenster in Lisas Wohnung Platz genommen, in der Claire Lisa besucht hat.
„Heute Nachmittag, im Krankenhaus, er … Konstantin ist … er will das nicht zugeben - aber der Unfall hat ihn schon mitgenommen.“
„Was sagen die Ärzte?“
„Nicht viel … er soll sich ausruhen, aber das will er natürlich nicht, er hat sich da etwas in den Kopf gesetzt … “ Claire beendet den Satz nicht.
Lisa sieht sie schweigend an.
„Er hat mich gefragt, ob wir heiraten wollen“, bricht es schließlich aus Claire hervor.
Lisa lächelt. „Und?“
Aber Claire ist nicht zum Lächeln zumute. Sie legt die Hände rechts und links an ihre Nase, schaut
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