Berlin Gothic: Thriller
verfolgten jede ihrer Bewegungen. Schon wollte Julia sie direkt ansprechen, da sanken die Lider der Frau langsam über die Augäpfel herab, blieben auf halber Höhe stehen, rutschten dann Millimeter für Millimeter wieder nach oben - legten die Augen jedoch nicht ganz frei.
Julias Blick huschte zu den anderen Gästen. Ein glatzköpfiger, älterer Mann, das Hemd weit aufgeknöpft, ein Goldkettchen darunter schimmernd, hatte das Kinn auf die Brust sinken lassen, aus seinem Mundwinkel tropfte ein feiner Speichelfaden heraus. Neben ihm lag bäuchlings ein vielleicht zwanzigjähriger Junge auf einem Sessel, die Hosen tief auf die Hüften gezogen, sodass seine Boxershorts darunter hervorschauten und darunter noch ein verschlungenes Tattoo. Als Julias Blick jedoch das Gesicht des Jungen traf, zuckte sie regelrecht zusammen, so hart gezeichnet war es, mit Furchen, die sich wie mit dem Messer geschnitten an seinen Mundwinkeln vorbeizogen.
„Sie müssen Drogen genommen haben, sie waren vollkommen weggetreten! Sie haben mich kaum wahrgenommen, aber sie haben auch nicht geschlafen. Sie waren in irgendeinem künstlichen Wachtraum gefangen, wie entrückt, in seltsame giftige Phantasiewelten entführt - in einem Zimmer mit einem gewaltigen Deckenfresko, hast du das nicht gesehen?“ Die Worte sprudelten nur so aus Julia hervor.
Xaver kniff die Augen zusammen und lächelte ein wenig verwirrt. „Was … ich verstehe nicht … wo warst du? “
Julia hatte ihn endlich gefunden. Fluchtartig hatte sie den Saal mit dem Deckengemälde verlassen und war durch das Gebäude geirrt. Erst als sie eine Kellnerin vom Catering-Service nach Felix gefragt hatte, hatten sie sie hierher geführt, auf einen Dachgarten, der im obersten Stockwerk des Hauses über einen Raum mit einem Indoor-Pool zu erreichen war.
„Julia!“ Mit ausgestreckten Armen war Xaver auf sie zugeschritten, als sie die Dachterrasse betreten hatte. „Schön, dass du zu uns kommst.“ Er nahm ihren Arm, führte sie jedoch nicht zu der Gruppe, mit der er zusammengestanden hatte, sondern an das Geländer der Dachterrasse, von dem aus man einen herrlichen Blick über die Stadt hatte. „Die Aussicht ist großartig, oder?“
Julia nickte und warf einen Blick zu Felix, der sich ebenfalls auf der Terrasse befand, jedoch bei der Gruppe stehen geblieben war, mit der auch Xaver zusammengestanden hatte. Als Felix‘ Blick sie gestreifte, hatte Julia unwillkürlich den Eindruck, er wäre ein wenig ungehalten, dass sie sie hier oben aufgestöbert hatte, wollte das jedoch hinter einem Lächeln verbergen.
„Du musst mir den Saal mit dem Fresko nachher gleich mal zeigen.“ Xaver schaute auf das leere Glas in Julias Hand. „Aber du hast ja gar nichts mehr zu trinken - soll ich dir was holen?“ Es kam ihr so vor, als würde er sich bemühen, seine Stimme besonders sanft klingen zu lassen.
„Na, was ist?“ Sie lächelte ihn an. „Suchst du einen Vorwand, um mich gleich wieder allein lassen zu können?“
„Unsinn!“ Er lachte. „Hast du dich gut unterhalten?“
Julia liebte es, wenn Xaver lachte - und doch verstärkte sich ihre Verunsicherung. Eben noch hatte er sich bestens gelaunt mit den anderen unterhalten, ein jeder mit einem Glas in der Hand, die Arme der Männer verschränkt, die Frauen jung, gut frisiert, die Schultern frei - da war sie aufgetaucht und Xaver auf sie zugekommen mit einem Gesicht als würde er noch nach dem Ausdruck suchen, der jetzt am passendsten wäre.
Sie warf einen Blick zu den beiden Frauen, bei denen Felix stehen geblieben war. Sie kamen ihr vor wie Wildkatzen, die sie mit hochgezogenen Augenbrauen musterten, als würden sie sich fragen, ob Julia überhaupt das Recht hatte, hier zu sein.
„Maja hat sich um mich gekümmert und mir eine ihrer Freundinnen vorgestellt.“ Julia schaute wieder zu Xaver. „Was habt ihr hier draußen eigentlich gerade gemacht, als ich gekommen bin?“
Xaver blickte ruhig über die Stadt und nippte an seinem Drink. „Wie meinst du, was haben wir gemacht? Wir haben uns unterhalten.“
„Und worüber?“
Xaver schmunzelte. „Über … ich weiß es garnicht mehr … doch, warte, von Gellert hat gesagt, dass er sich nicht sicher ist, welches Projekt er als nächstes in Angriff nehmen soll.“
„Vager kannst du dich wohl nicht ausdrücken, was?“
Jetzt runzelte Xaver doch die Stirn. „Hast du was? Wollen wir gehen?“ Er beugte sich ein wenig zu ihr vor. „Hast du dich über Maja geärgert?“
Maja. Mit
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