Berlin Gothic: Thriller
eine niedrige Anhöhe vor dem Weg, der dahinter vorbei führte, auf der anderen Seite gab ihm eine Gruppe Nadelbäume Rückendeckung. Dazwischen lichteten sich die Bäume ein wenig und an der Seite hatte ein Förster oder Waldarbeiter einen Haufen kleinerer Äste und Zweige aufgeschichtet. Till hatte sich den stärksten Ast aus dem Haufen herausgesucht, ein Ende in die unterste Astgabel eines der Bäume am Rand der Lichtung geklemmt, das andere in eine etwa gleichhohe Astgabel des Nachbarbaumes. Dann hatte er einige dünnere Zweige auf den Boden gestellt und als Dachlatten gegen den First gelehnt - immer abwechselnd auf der einen und der anderen Seite, sodass sich ihre herausstehenden Enden überkreuzten. Mit einigen Ästen, die er von den Nadelbäumen kurzerhand abgerissen hatte, hatte er seine Hütte noch ein wenig abgedichtet und mit dem Laub, das er um den Eingang herum zusammenraffen konnte, den Boden schließlich noch etwas ausgekleidet.
Mit der Regenhaut über dem Pullover kletterte er aus der Hütte. Seit der Suppe, die er in der Küche der Bentheims bekommen hatte, hatte er nichts mehr gegessen. Seine Gedanken kehrten zu der Familie zurück, die er kennengelernt hatte. Wie oft würde er sie noch sehen? Konnte er gleich heute erneut bei ihnen aufkreuzen? Oder war es ratsamer, einen Tag verstreichen zu lassen und erst morgen früh wieder dort aufzutauchen? Je länger Till darüber nachdachte, in welcher Lage er sich befand, desto unwohler wurde ihm. Er kannte das selbst doch nur zu gut: Wenn jemand andauernd an ihn herantrat, unbedingt mit ihm befreundet sein wollte, ging ihm derjenige meist schon sehr bald auf die Nerven. Eine gewisse Zurückhaltung musste sein. Wie aber sollte er den Bentheims gegenüber zurückhaltend bleiben … wenn sie alles waren, was er hatte?
Ärgerlich kickte er einen Zweig beiseite. Unsinn! Er war doch von denen nicht abhängig! Er konnte machen, was er wollte. Er fand sie ganz nett, Max, Lisa … deshalb würde er auch gleich noch einmal bei ihnen vorbeischauen. Schließlich waren Ferien und da sie nicht verreist waren, würden sie vielleicht froh sein über die Abwechslung. Benahmen sie sich jedoch komisch, irgendwie kühl oder von oben herab, dann zog er eben weiter! Er hatte sie doch nicht nötig!
Trotzig griff er nach seinem Rucksack, schwang ihn über die Schulter und machte sich auf den Weg.
„Schön.“ Till drehte sich zu Max um, der in der Tür seines Kinderzimmers stehen geblieben war.
Es war kein Problem gewesen. Rebecca hatte ihm geöffnet und gleich nach Max gerufen, als Till nach ihm gefragt hatte. Es war deutlich zu sehen gewesen, dass Max sich über seinen Besuch freute.
Max warf Till einen Blick zu, dann schloss er die Tür hinter sich und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Lisa hat gesagt, du schläfst im Wald.“
Till atmete aus. Sie hatte es ihm also erzählt. Gut so! Till hatte den Gedanken gehasst, Max etwas vormachen zu müssen.
„Ja, stimmt.“ Er kniff die Augen zusammen. Offensichtlich machte es Max nicht besonders viel aus, Bescheid zu wissen. Eher glaubte Till in seinen Augen so etwas wie eine Mischung aus Neugier und auch ein wenig Bewunderung aufblitzen zu sehen.
„Und, wie ist es?“
„‘S okay.“
„Hast du da eine Hütte oder sowas?“
„Nur ein paar Stöcker als Dach. Wenn du willst, zeig ich sie dir.“
Max überlegte. „Ist es weit?“
„Zu Fuß fast zwei Stunden.“
„Wir könnten die Fahrräder nehmen, du kannst sicher das von Lisa haben … “
Till nickte. Klar, von ihm aus.
Aber dann verwarf Max selbst die Idee wieder. „Vielleicht nachher.“
Einen Moment schwiegen sie und Till fragte sich, ob er so tun sollte, als sei es das Normalste von der Welt, dass er im Wald schlief - und einfach zum vergnüglichen Teil des Tages, zu den Spielen übergehen. Aber Max schien in Gedanken noch bei den praktischen Implikationen dessen zu sein, was Till ihm eben bestätigt hatte.
„Heute Nacht soll’s wieder regnen. Ist die Hütte denn dicht?“ Till schüttelte den Kopf. Nein, überhaupt nicht.
„Wenn du willst, kannst du bei uns im Schuppen im Garten schlafen“, hörte er Max sagen.
Überrascht sah Till auf. „Ach ja?“ Aber dann fielen ihm all die Gründe ein, die dagegen sprachen. „Es geht aber nicht. Wenn deine Eltern erfahren - “
„Die brauchen davon ja nichts zu wissen.“ Max sah ihn an. „Es ist nur eine Gartenlaube, aber da stört dich keiner. Und das Haus, in dem mein Vater arbeitet, ist
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