Berlin-Krimi 03 - Notlandung
verhindern können?«
Frau Leimbach holte tief Luft.
»Aber was rede ich für dummes Zeug, es war kein Selbstmord. Wussten Sie, dass das Auto ein Leihwagen war? Auch so eine komische Geschichte. Er hatte mir gesagt, dass er sich am Abend am Flughafen einen Leihwagen nehmen wollte. Er wollte am nächsten Morgen gleich früh zu meiner Mutter fahren. Er hatte sich bei seiner Oma zum Brunch angemeldet. Aber was ich eigentlich erzählen wollte, ich weiß nicht, was ich damit machen soll, ich kann den Koffer einfach nicht sehen. Irgendwie denke ich, dass die Fliegerei an allem schuld ist, und andererseits wiederum hat ihm die Fliegerei so viel bedeutet. Würden Sie den Koffer nehmen, bitte? Sie werden ihn bestimmt mal benutzen können.«
»Frau Leimbach, das geht nicht.«
»Bitte, Sie würden mir damit einen großen Gefallen tun!«
Beryl nahm den Koffer und saß kurz darauf in ihrem Wagen.
»Es war eine idiotische Idee, herzukommen«, sagte Beryl laut und schlug auf das Lenkrad. Wenn sie sich vor dem Besuch schon unwohl gefühlt hatte, dann fühlte sie sich jetzt richtig schlecht. Statt einer Erklärung auf ihre Fragen hatte sie eine wundervolle Familie gefunden, die einen geliebten Menschen verloren hatte. Sie war sich sicher, egal wie er sich gefühlt hätte, Marcel hätte niemals seine Familie verlassen. Nicht freiwillig. Noch ratloser als zuvor, fuhr Beryl nach Hause.
3
»Wo bist du gewesen?«
Ihr Freund Denis Steinkühler stand im Flur, als sie in die gemeinsame Wohnung kam.
»Das ist wirklich eine tolle Begrüßung, Denis. Ich hatte einen wirklich beschissenen Tag und könnte jetzt etwas Aufmunterung brauchen.« Sie holte tief Luft, es brachte nichts, ihre schlechte Laune an Denis auszulassen.
»Weil du so nett gefragt hast, werde ich es dir verraten. Ich war gerade bei Frau Leimbach.«
»Du warst wo?«
»Ich war bei der Mutter von Marcel Leimbach.« Beryl versuchte, ruhig zu bleiben.
»Bist du verrückt? Was soll das?«
Beryl war einen Moment geschockt von Denis Ausbruch, sie konnte sich nicht erinnern, von ihm jemals derart angeschrien worden zu sein. Sie merkte, wie sie anfing, sauer zu werden.
»Die Frau hat ihren Sohn verloren, Denis. Ich bin wahrscheinlich die Letzte, die mit Marcel gesprochen hat. Also habe ich mich mit ihr getroffen. Marcels Mutter wollte es so, kannst du das nicht verstehen? Sie hat mir sogar Marcels Pilotenkoffer geschenkt, weil sie die damit verbundenen Erinnerungen nicht mehr ertragen kann. Er erinnert sie zu sehr an Marcel. Versuch doch einfach mal, dich in die Lage der Frau zu versetzen.«
»Beryl, halte dich da bloß raus. Diese ganze Geschichte ist ein einziger Albtraum. Einer unserer Piloten begeht Selbstmord. Kannst du dir vorstellen, was das bedeutet? Was die Presse daraus machen wird, wenn sie das mitbekommt? Ich kann mir die Schlagzeile so richtig gut vorstellen, ›Labiler junger Pilot der Filomena Airways begeht Selbstmord‹. Das klingt so, als würden wir unzurechnungsfähige Psychopathen in unsere Cockpits setzen. Da können Zweifel an unserer Sicherheit aufkommen, und das kann uns sehr schnell Kunden und Geld kosten. Viel Geld.«
»Denis, es geht hier nicht um Geld«, Beryl versuchte immer noch, sachlich zu bleiben, »es geht um einen Menschen, und außerdem hat Marcel keinen Selbstmord begangen. Davon bin ich, genauso wie seine Familie, überzeugt.«
»Ich glaube einfach nicht, was ich gerade höre!« Denis schrie sie erneut an. »Woher willst du das wissen? Weibliche Intuition, oder was?«
Beryl merkte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg.
»Ich weiß es eben! Im Gegensatz zu dir kannte ich Marcel Leimbach. Ich …«
Denis fiel ihr ins Wort: »Beryl, du kannst Flugzeuge fliegen, aber du bist keine Psychologin oder Polizistin! Überlass das den Leuten, die etwas davon verstehen.«
Beryl ging zwei Schritte auf ihn zu und ballte die Fäuste. Was zu viel war, war zu viel.
»Rede nie wieder in diesem Ton mit mir! Hast du mich verstanden?«
Denis wollte noch etwas sagen, blieb dann aber lieber einen Moment ruhig.
»Okay, lass uns das in Ruhe besprechen.« Er hob beschwichtigend die Hände.
Aber Beryl reichte es, sie lief wortlos an ihm vorbei, nahm ihren Koffer, der für ihren nächsten Einsatz schon gepackt war, und ging wortlos zur Tür.
»Höre mir jetzt genau zu«, Denis wurde jetzt richtig wütend, er konnte es nicht leiden, wenn Beryl ihn einfach ignorierte. »Du hörst jetzt sofort auf, derart hysterisch zu sein, und wirst dich mit mir
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