Berlin-Krimi 03 - Notlandung
unterhalten, sonst …«
»Sonst was?«
»Ich glaube nicht, dass wir dich in diesem Zustand fliegen lassen können, und das sage ich jetzt nicht als dein Lebenspartner, sondern als CFO der Filomena Airways.«
Damit war er eindeutig zu weit gegangen. Beryl spürte, wie ihr vor lauter Wut Tränen in die Augen schossen. Sie holte tief Luft.
»Das mit dem Lebenspartner hat sich erledigt, genau in dem Moment, als du das eben gesagt hast!« Sie öffnete die Wohnungstür.
»Beryl, sei doch vernünftig!«
»Weißt du was, Denis? Steck dir doch deinen Finger in den Arsch!«
Beryl zog die Tür zu und ließ den sprachlosen Denis im Flur stehen.
4
Sami Saab war eine lebende Legende der Finanzwelt. Er wurde in ärmlichen Verhältnissen im Libanon geboren, seine Familie war nach Amerika ausgewandert, als er zwei Jahre alt war. Dort angekommen, reihten sie sich in das Heer der Glücksuchenden ein. Und so wuchs er in der Bronx auf, erlebte Armut und Gewalt aus nächster Nähe. Mit 17 Jahren hatte er auf Pump und unter dem Namen eines Strohmannes eine New Yorker Taxilizenz erstanden, mit 23 besaß Sami bereits 34 New Yorker Taxis. Ein Jahr später verkaufte er sein Taxi-Unternehmen und steckte das Geld in eine marode Fabrik für Sanitärapparaturen in New Jersey. Innerhalb von wenigen Monaten zerlegte er das Unternehmen, er verkaufte die Fabrikationshalle, die Patente, die Immobilien, die Fabrikationslinie und die Vertriebsabteilung an unterschiedliche Bieter – und verfünffachte dabei seinen Einsatz.
An den Business Schools wurde später darüber gestritten, wer Firmenübernahmen und Private Equity erfunden hatte, Sami Saab oder Henry Kravis. Aber egal, wem man die Ehre zuteil werden lässt, Sami hatte mit 24 seine ersten Firmenübernahmen durchgeführt, lange bevor das Spiel richtig in Mode kam.
Für ihn war es eine Goldgrube und der Beginn seiner legendären Erfolgsgeschichte. In New Jersey gingen allerdings 180 der 200 Arbeitsplätze verloren, die Gewerkschaft veranstaltete eine Kampagne, Sami wurde zu ihrer Zielscheibe, und er wurde offen beschimpft. Er hatte keine Angst, aber die Angriffe verletzten ihn tief.
Sami wusste, was Armut bedeutet, und das Schicksal der Arbeiter war ihm nicht gleichgültig. Aber Business ist nun mal Business, und der Markt verzeiht keine Fehler, auch wenn sie in guter Absicht gemacht wurden. Er war davon überzeugt, dass er völlig zu Unrecht den Angriffen ausgesetzt war. Die Fabrik war kurz vor der Insolvenz gewesen, als er sie übernahm. Bei einer Pleite wären alle Arbeitsplätze verloren gewesen. Jetzt blieben immerhin 20 Arbeitsplätze am Standort übrig und dann noch zwei bis drei Dutzend in anderen Teilen des Landes. Die Situation war, zumindest für einen Teil der Arbeitnehmer, besser als im Falle einer Insolvenz. Es war eben nicht möglich gewesen, alle Arbeitsplätze zu retten. Das lag nicht an ihm, sondern am Markt. Nur ein Dummkopf konnte versuchen, gegen die Kräfte des Marktes zu spielen. Zumindest sah Sami das so. Aber seine Versuche, sein Verhalten zu begründen, machten alles nur noch schlimmer. Man legte es ihm als Schwäche aus, und die Aktionen und Proteste nahmen sogar noch zu.
Für Sami war das eine Lektion, die ihn verändern sollte. Man hat nie wieder erlebt, dass er sich zu einer seiner Transaktionen öffentlich äußerte. Zukünftig ignorierte er schlicht und einfach, was die Leute über ihn dachten oder über ihn schrieben. Es gab nicht viel, was er dagegen tun konnte, und er empfand es als eine Verschwendung seiner Energie, in Dinge zu investieren, die er nicht beeinflussen konnte. Und er machte sich zukünftig auch keine Gedanken mehr über Arbeitsplätze oder die sozialen Auswirkungen seiner Geschäfte. Er schob es schlicht und einfach auf den Markt und wies jede Verantwortung von sich. Ein Harvard-Professor, der eine Biografie über ihn schrieb, meinte 20 Jahre später, dass Sami damals in New Jersey die Härte und Kälte erwarb, die notwendig waren, um in seinem Business Erfolg zu haben.
In den folgenden Jahren stieg Sami zu einem der meistbewunderten und meistgehassten Männer der Wallstreet auf. Sein Unternehmen Saab Equity kaufte Unternehmen, sanierte oder zerlegte sie. Manchmal hielt er auch einfach nur die Anteile eine Weile, um sie, wenn die Zeit gekommen war, mit großem Gewinn wieder zu verkaufen. Mit 42 Jahren war er Milliardär, und die Legendenbildung des gnadenlosen Firmenjägers begann. Als die Übernahmeschlachten in den USA gerade
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