Berlin-Krimi 03 - Notlandung
gab einen Zwischenaufenthalt in der Kategorie der Kollegen. Als sie vor zwei Tagen eine Stunde auf einen verspäteten Flug warten mussten und gemeinsam in einem Selbstbedienungsrestaurant am Flughafen essen waren, hatte Marcel ganz selbstverständlich beim Abräumen des schmutzigen Geschirrs geholfen. Und jedes Mal, wenn ihm jemand einen Kaffee ins Cockpit brachte, konnte man ihm anmerken, dass ihm das etwas peinlich war.
»Du bist mit Frauen aufgewachsen, Marcel, oder?«, hatte Anke ihn einmal gefragt.
»Woher weißt du das?« Bei der Antwort war er rot geworden.
»Ach, nur so ein Gefühl. Nach acht Jahren in der Kabine hat man ein Gefühl für Menschen.«
Und so war Marcel einstimmig zu den sehr netten Kollegen aufgestiegen, und er hatte sich einen Blumenstrauß verdient.
Als Letzte war Beryl an der Reihe, sich zu verabschieden, auch sie nahm ihn kurz in die Arme.
Marcel liefen zwei Tränen herunter.
»Ihr müsst verzeihen, dass ich so emotional bin, aber ich habe auf diesen Tag hingearbeitet, seit ich zwölf bin. Mein größter Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Und ihr seid die besten Kollegen, die man zwischen Himmel und Erde haben kann, wirklich. Dass das Fliegen toll sein wird, habe ich gewusst, aber dass ich so nette Kollegen haben werde, das hätte ich mir nie erträumt.«
»Nun, wir lassen dich jetzt allein, Marcel. Genieße die freie Zeit. Wir beide sehen uns in drei Tagen.« Beryl hatte schon einige glückliche, frischgebackene Piloten erlebt, aber geheult hatte noch nie einer. Er war einfach süß, der Marcel. Wer weiß, wenn sie zehn Jahre jünger gewesen wäre?
Überglücklich machte sich Marcel kurz darauf auf den Heimweg.
Er hatte es geschafft, er war endlich am Ziel all seiner Träume.
Jetzt musste er nur noch ein Telefonat hinter sich bringen, dann war die Welt völlig in Ordnung und genau so, wie sie sein sollte.
Er drehte sich mehrfach um, um sicherzugehen, dass ihn niemand belauschen konnte, dann wählte er mit Widerwillen die Nummer.
»Hier ist Marcel, ich bin eben in Tegel gelandet. Sie wollten, dass ich mich melde.«
»Ja, schön, dass du anrufst, Marcel.«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, ich will da raus. Ich habe nicht gewusst, auf was ich mich einlasse, Sie haben mir nicht die Wahrheit gesagt. Ich mach da nicht mehr mit«, seine Stimme überschlug sich.
»Komm runter, Marcel. Alles kein Problem, wenn du raus willst, aber wir müssen diesen einen Job noch zu Ende bringen.«
»Nein, das werde ich nicht. Sie hätten mir sagen müssen, um was es geht, dann hätte ich gleich gesagt, dass Sie sich zum Teufel scheren können. Ich will nichts damit zu tun haben!« Er fing an zu schreien.
»Also gut, in Ordnung, wir müssen reden, aber nicht am Telefon.«
»Ich will da raus, sofort!«
»Beruhige dich, wir werden das so machen, wie du es willst. Aber lass uns das in Ruhe besprechen, kein Grund, sich aufzuregen.«
Marcel überlegte einen Moment, irgendwie war ihm das Ganze nicht geheuer, aber er wollte es hinter sich haben. Nur noch hinter sich bringen.
»In Ordnung, wann und wo?«
»Kannst du in einer halben Stunde am Treffpunkt sein?«
»Ich werde da sein, aber erst in einer Stunde.«
Bevor der andere antworten konnte, hatte Marcel aufgelegt.
Kurz darauf wählte sein Gesprächspartner eine andere Handynummer.
»Ja?«
»Ich habe mit ihm gesprochen, er ist gerade in Tegel gelandet. Er macht immer noch Ärger, er will raus. Also das kann er haben, das Arschloch. Er wird sich mit uns treffen, in einer Stunde am verabredeten Treffpunkt. Ihr wisst, was ihr zu tun habt? Ich will eine saubere Arbeit.«
»Sie können sich auf uns verlassen, wir sind Profis, niemand wird Verdacht schöpfen. Wir werden eine saubere Arbeit abliefern.«
»Ich will es hoffen.«
1
Drei Tage später war Beryl gegen 8:00 Uhr am Flughafen und begab sich direkt zum Crewraum der Filomena Airways. Da Berlin einer der größten Stützpunkte war, hatte Filomena Air einen eigenen Raum für das fliegende Personal eingerichtet. Beryl holte sich wie immer, wenn sie morgens von Berlin aus losflog, einen Kaffee im Crewraum und suchte sich dann einen Platz am Fenster, weit weg von allen, und genoss den ersten Kaffee und den ruhigen Moment.
Anke kam auf sie zu.
»Hast du das von Marcel schon gehört, Beryl?«
Beryl schüttelte den Kopf. Anke registrierte nach vielen Jahren als Stewardess automatisch die Eigenarten ihrer Mitmenschen, und sie wusste um Beryls Wunsch, den ersten Kaffee am Morgen allein und mit
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