Berliner Aufklaerung - Roman
seine abgestandenen Männersprüche anhören mußte. Aber das hat sich ja nun Gott sei Dank erledigt.«
Susanna wischte sich mit dem Taschentuch über ihr inzwischen ohnehin wieder trockenes Gesicht. »Tut es dir denn gar nicht leid, daß er umgebracht wurde?«
»Ich fürchte: nein!«
Petras Antwort bewog Susanna, ihren Plan kurzfristig zu ändern und einen weiteren Heulanfall aufs Programm zu setzen. »Ich dachte, ich kann zu dir kommen, weil du eine Frau bist und mich verstehst. Statt dessen machst du mir nur Vorwürfe. Da war ja sogar Schreiner sensibler als du.«
Mit leicht quietschendem Absatz drehte sich Uhse zu Susanna um. »Ich bin keine Beichtmutter, sondern eine Frau, die versucht, der Diskriminierung von Frauen entgegenzuarbeiten. Vielleicht hättest du zu mir kommen sollen, bevor du mit Schreiner ins Bett gestiegen bist. Was ich dir jetzt rate, das dürfte doch wohl klar sein.«
Susanna setzte wieder eine kleinlautere Tonart auf. »Du meinst also, ich soll das Kind nicht bekommen?«
»Genau das meine ich.«
»Wahrscheinlich hast du ja recht.« Susanna blickte
nachdenklich zum Fenster hinaus. Sie überlegte, wie sie dem Gespräch noch eine andere Wendung geben konnte, nachdem die Schwangerschaftsfrage für Petra endgültig geklärt zu sein schien. »Glaubst du, Rebecca Lux hätte mir denselben Tip gegeben?«
Petra Uhse wirkte irritiert. »Was soll denn die Frage? « Ihre Stimme klang schroff. »Ich bin für die Meinungen, die Rebecca Lux hatte, nicht zuständig.«
»Na ja, ich dachte nur – weil: es ist doch schon eine ernste Entscheidung, und da fände ich es beruhigend, die Sache vielleicht noch mal von moralphilosophischer Seite aus zu sehen.«
»Da hättest du Rebecca Lux schon selber fragen müssen.« Petra ließ ihre Lippen sich verachtungsvoll kräuseln. »Ich halte es aber für sehr unwahrscheinlich, daß die überhaupt einen Begriff davon hatte, was eine Schwangerschaft für eine Frau bedeutet.«
Susanna fiel nichts ein, was sie darauf hätte erwidern sollen, deshalb erhob sie sich mit einem schwachen Seufzer von dem großgeblümten Sofa, auf dem sie zwei kleine nasse Flecken hinterlassen hatte. »Auf jeden Fall danke für deinen Rat und entschuldige, daß ich mich so habe gehenlassen. Aber es war eben einfach ein Schock.«
»Sicher, das verstehe ich.« Uhse begleitete Susanna zur Tür und drückte sie dort an ihr Herz. »Mach’s gut und sei vernünftig.«
»Ganz bestimmt.« Susanna schlich mit gesenktem Kopf die Treppen hinunter und legte erst wieder eine schnellere Gangart ein, als sie die strahlende Oktobersonne auf ihrem Gesicht spürte.
DIE TYRANNEI DER INTIMITÄT
Anja ließ die Wohnungsklingel zum dritten Mal schrillen. Die Bewegungen hinter dem Türspion hatten längst verraten, daß jemand zu Hause war.
»Herr Lévi-Brune, machen Sie auf!« Sie schlug mit der Faust gegen die dunkelbraun gestrichene Holztür. Nach einer Weile wurde diese um den kleinen Spalt geöffnet, den die Kette freigab.
»Ja, bitte?«
»Sommer mein Name. Ich bin Privatdetektivin und ermittle in der Angelegenheit Rudolf Schreiner.«
Hinter der Tür entstand ratlos-ängstliches Schweigen. »Äh, Sie sind sich sicher, daß Sie zu mir wollen?«
»Ja. Lassen Sie mich jetzt endlich rein.« Anja hatte die Faxen dicke, abgesehen davon, daß ihr die Lust auf Mörderjagd ohnehin mehr und mehr verging, würde das Verhör mit Hugo Lévi-Brune sicher noch sinnloser sein, als es vorhin das Verhör der Bullen mit ihr gewesen war.
Nachdem Lévi-Brune umständlich die Türkette entfernt hatte, ließ er Anja eintreten. Sie folgte ihm durch einen schmalen Flur, der an beiden Seiten mit Bücherregalen zugestellt war, in einen Raum, der offensichtlich als Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer zugleich diente. Auf einem abgeschabten Sechziger-Jahre-Schlafsofa nahm sie Platz. Lévi-Brune setzte sich ihr gegenüber auf einen Klappstuhl. »Äh, entschuldigen Sie, daß es hier so unordentlich ist, aber ich hatte heute
noch keine Zeit zum Aufräumen. Wollen Sie vielleicht einen Tee?«
»Nein, danke.« Anja haßte Mate-Tee, und alles in diesem Haushalt sah nach Mate-Tee aus. Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück. »Was fällt Ihnen zu der Angelegenheit Schreiner ein?«
»Äh, wie meinen Sie das?«
»So wie ich es gesagt habe. Kann ich rauchen?« Anja zog ein Päckchen Zigaretten aus ihrer Jackentasche.
»Selbstverständlich. Warten Sie, ich muß nur den Aschenbecher aus der Küche holen.«
Während Lévi-Brune hastig im Flur
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