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Berliner Aufklaerung - Roman

Berliner Aufklaerung - Roman

Titel: Berliner Aufklaerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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übrigens vorzüglich, das Gratin vielleicht eine Spur zu schwer, finden Sie nicht?«
    »Ich glaube in der Tat nicht, daß Rebecca sich selber umgebracht hat. Aber letztendlich ist es ja auch gleichgültig. « Mit einem leisen Krachen löste Anja ein Stück Fleisch aus der Hummerschale.
    »Sie vermuten, daß Ihre Professorin ermordet wurde? « Der Richter schenkte Anja und sich aus der neuen Flasche »Meursault« ein. Anja nahm ihr Weinglas in die Hand und stellte es wieder ab. Angesichts der Tatsache, daß sie nachher noch Hektor nach Hause bringen mußte, sollte sie bald aufhören zu trinken. »Ja. Rebecca wurde ermordet. Vom selben Täter, der Schreiner ermordet hat.«
    Stammheimer griff mit seinen langen, wohlmanikürten Fingern nach der Damastserviette und tupfte sich den Mund. »Das klingt ja beinahe so, als ob Sie jemand bestimmtes im Auge hätten.«
    Anja schluckte das letzte Stück Hummer hinunter. »Willi Maier-Abendroth.«
    »Ein Kollege der Verstorbenen?« Der Jurist faltete seine Serviette zusammen und legte sie neben dem Teller ab.
    »Ja.« In letzter Sekunde erinnerte sich Anja ihres Lippenstifts und knüllte die Serviette, die sie sich gerade quer über den Mund hatte ziehen wollen, unbenutzt neben dem Teller zusammen.

    »Sie machen mich neugierig.«
    »Maier-Abendroth war befreundet mit Schreiner. Schreiner war schwul, und so wie es aussieht, war es Maier-Abendroth auch. Es ist anzunehmen, daß — wenn sie nicht selbst miteinander was hatten — zumindest jeder das vom anderen wußte. Der springende Punkt ist, daß Maier-Abendroth seit einigen Jahren eine — nun ja — politische Karriere verfolgt und in diesem Zusammenhang keine Gelegenheit ausläßt, gegen Homosexuelle zu hetzen. Schreiner kann die politischen Ambitionen seines alten Freundes unmöglich akzeptiert haben. Was ist naheliegender, als daß er Maier-Abendroth damit erpreßt hat, seine versteckten Neigungen publik zu machen, um ihn so als Politiker zu ruinieren?«
    Der bleiche Kellner räumte die beiden Teller mit den leeren roten Hummerschalen ab. Anja wartete, bis er wieder verschwunden war. »Außerdem hätte Maier-Abendroth ein Motiv, den Mord Rebecca Lux anzuhängen. Zwischen den beiden bestand schon seit Assistenten-Zeiten eine Rivalität, und Rebecca hatte Maier-Abendroth mehrmals eine Stelle weggeschnappt. Sie war zuletzt Direktorin des Instituts, und jetzt ist er auf den Posten scharf.«
    Stammheimer lächelte. »Ich wußte noch gar nicht, daß Sie auch kriminologisch begabt sind. Verraten Sie mir, wie Sie auf diese Variante gekommen sind?«
    Anja zuckte mit den Schultern. »Ich habe erfahren, daß sowohl Schreiner als auch Maier-Abendroth szenebekannte Schwuchteln sind, obwohl am Institut niemand etwas davon weiß.«
    Der Servier-Kellner kam mit dem nächsten Gang, den »gebratenen Seezungenfilets in Kapernbutter mit
Brunnenkresse und Grenaille«. Der Jurist faltete die Serviette wieder auseinander und breitete sie erneut auf seinen kostbaren Anzughosen aus. »Meinen Sie nicht, daß das alles vielleicht ein wenig zu einfach ist? Bringt man jemanden um, bloß weil er weiß, daß man homosexuelle Neigungen hat und meinetwegen auch auslebt? Denn Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wollte Herr Maier-Abendroth ja wohl nicht werden, und meines Wissens hat es dem philosophischen Ansehen Rousseaus schließlich auch nicht geschadet, daß er seine Kinder ins Waisenhaus gesteckt hat, nachdem er eine Schrift über Erziehung verfaßt hatte. Hätte Maier-Abendroth wirklich so viel zu befürchten, wenn bekannt würde, daß er ein Doppelleben führt?«
    Anja spießte zwei Kapern auf ihre Gabel und zeichnete mit ihnen unbestimmte Schnörkel in die Buttersauce. »Hat schon mal jemand nach dem Motiv gefragt, das Rebecca gehabt haben soll, Schreiner zu ermorden?«
    Stammheimer türmte kunstvoll ein Häufchen Brunnenkresse auf ein Stückchen Seezunge und schob sich den Bissen in den Mund. »Ich will ja gar nicht abstreiten, daß Ihre Theorie einer gewissen Plausibilität nicht entbehrt, aber dennoch wundere ich mich ein wenig über die Sicherheit, mit der Sie sie vertreten. Wenn es berechtigte Gründe für die Annahme gibt, daß Frau Lux sich selbst ermordet hat, so müssen Sie doch zugeben, daß es dann schwerfällt, keinen Zusammenhang zwischen Frau Lux’ Verhaftung und ihrem Suizid herzustellen. Auf welche Weise ist sie eigentlich aus dem Leben gegangen?«
    Anja fragte sich, was »Grenaille« sein mochte, auf
den ersten Blick sah

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