Berliner Zimmer - Roman
den Zettel mit der Nummer und der Anschrift, die schweren Telefonbücher schob ich der Rezeptionistin über den Tresen zurück. Sie fragte, ob ich mit meinem Zimmer zufrieden sei, und empfahl mir ein nahe gelegenes Restaurant fürs Abendessen.
Auf dem Weg zum Restaurant versuchte ich, an etwas anderes zu denken, trotzdem überlegte ich die ganze Zeit, was ich Klara Hubmann, wenn es die war, die ich suchte, sagen würde. Vielleicht sollte ich einfach mit der Tür ins Haus fallen, und wenn sie mit Vaters Namen nichts anfangen konnte, war alles wie nie gewesen. Es wäre nichts passiert. Plötzlich merkte ich, dass ich mich verlaufen hatte, und ich musste mich durchfragen, um wieder in die richtige Straße zurückzufinden.
Nach dem Abendessen nahm ich ein Taxi, das mich ins Hotel zurückbrachte. Ich legte mich ins Bett und wartete darauf, dass ich in den Schlaf fiel, und als ich hinunterglitt in diesen Zustand der Bedeutungslosigkeit, spürte ich, wie ich für einen kurzen Augenblick leichtfüßig glücklich war. Vielleicht war es die Müdigkeit, das Melatonin, das mein Hirn überschwemmte und flugs an allen Rezeptoren andockte, vielleicht aber auch, weil ich in diesem einen Moment mit allem einverstanden war, was passierte.
10
Die Schönhauser Allee ist eine breite Straße mit zwei Fahrspuren und einer Mittelpromenade, welche gesäumt ist von kleinen und größeren Bäumen. Sie sahen den Laubbäumen ähnlich, die im Pausenhof meiner Schule standen (Ahorn?), aber ihre Blätter waren so von Staub bedeckt, dass ihr Grün fast schimmelig wirkte. Weiter vorne lichteten sich die Baumreihen, dort tauchte die U-Bahn aus der Tiefe auf und lief als Hochbahn auf massigen Stahlstelzen weiter.
Manche der Häuser entlang der Allee sahen aus, als stammten sie aus der Gründerzeit, es waren Stadthäuser mit schwerem Holztor und dahinter stellte ich mir weite Aufgänge vor und schmiedeeiserne Geländer. Die Zeiten der Volksdiktatur schienen diesen Häusern nicht allzu viel angetan zu haben, aber vielleicht hatte man sie auch gründlich renoviert. Daneben standen andere im Einheitsgrau, und wenn man an ihnen vorüberging, konnte man einen Blick in die Hinterhöfe werfen, wo lauter Mülltonnen standen, kaputte Fahrräder und daneben Sandkästen, in denen die Hunde ihr Geschäft verrichteten.
Ich hatte die Straßenbahn genommen, war aber zu früh ausgestiegen und musste mich erst durchfragen. Man schickte mich über einen Kirchplatz, dann durch einige Nebenstraßen, nach kurzer Zeit aber stand ich vor dem Haus, das ich suchte, einem hohen grauen Gebäude mit dunklen Fenstern. Im Stiegenhaus mischte sich der Geruch nach Putzmitteln mit dem von frischer Tempera, die Stufen bestanden aus ausgetretenem Marmor, oder war es doch nur ein einfacher heller Stein, ich war mir nicht sicher.
Der Name Hubmann stand in schwarzer Schreibschrift auf einem Messingschild über dem Klingelknopf. Daneben die schmale, rötlich lackierte Tür, der man ansah, dass sie mehrmals schon die Farbe gewechselt hatte. Ich zögerte, vielleicht sollte ich wieder umkehren, zurück in meine Pension, auf meinen Kongress, und die Büchse nicht aufmachen.
Ganz bestimmt sollst du das, klopfte es in meinem Hinterkopf, das geht dich doch alles nichts an.
Hinter mir kamen Möbelpacker von unten, sie schrien sich gegenseitig Anweisungen zu und trugen ein schweres, grün bespanntes Sofa in eines der oberen Stockwerke. Ich drückte meinen Rücken an die Wand, um die Arbeiter vorbeizulassen, und nahm mir vor, noch einmal nach unten zu gehen, in ein Café vielleicht, um mir mein Vorhaben noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, aber als die Möbelträger an mir vorbei waren, stand die Wohnungstür offen und eine junge Frau mit langem Haar sah mich aufmerksam an.
Ja, sagte sie, sie heiße Hubmann, und ich antwortete ihr, dass sie zu jung dafür sei. Meine Frau Hubmann sei älter als siebzig, vielleicht auch achtzig, aber ich sei mir auch nicht sicher, ob das die richtige Adresse sei.
Die junge Frau lachte, drehte sich um und rief nach hinten in das Dunkel der Diele. Sie müsse gleich weg, sagte sie zu mir gedreht, ließ mich an der offenen Tür stehen und verschwand in der Drehung des Treppenhauses.
Die richtige Klara Hubmann war eine kleine Frau mit dünnem weißem Haar, das zu einem kurzen, kaum fingerdicken Zopf gebunden war. Sie trug eine weiße Bluse und darüber eine graue Weste mit kleinen schwarzen Knöpfen. Mit ihren neugierigen dunklen Augen, die mich fragend
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