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Berliner Zimmer - Roman

Berliner Zimmer - Roman

Titel: Berliner Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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meinem Gesicht nach bekannten Zügen.
    Ich fragte sie, in welchem Jahr sie geboren sei.
    „1925“, sagte sie, „im August.“
    Es war dasselbe Jahr, in dem auch Vater geboren war, und das teilte ich ihr mit. Aber sie schüttelte verneinend den Kopf.
    „Tut mir leid“, sagte sie, „ich kann Ihnen wohl nicht weiterhelfen.“
    „Ein Foto“, fiel mir ein, „wenn ich Ihnen ein Foto zeigen würde?“
    „Ja“, sagte sie, „kommen Sie wieder, wenn Sie ein Foto haben. Kommen Sie wieder.“
    Als ich die Stufen hinunterstieg (die Möbelpacker waren immer noch zugange und trugen braune Umzugskartons nach oben), fragte ich mich, was ich hier tat. Warum sollte ich in ein fremdes Leben einbrechen und mir davon Antworten erwarten. Gleichzeitig war ich mir sicher, dass Frau Hubmann diejenige war, die ich suchte. Vielleicht würde sie sich wirklich an Vater erinnern, wenn ich ihr ein Foto von damals zeigte. Das zumindest würde ich auf jeden Fall noch versuchen.
    Ein junges Paar trat durch das Haustor in den Flur. Die Wärme, die in der Straße stand, flutete in einem heftigen Schwall den Stiegenaufgang. Der Junge, der vielleicht sechzehn war, schaute sich um, als würde er etwas suchen, dann grüßte er mich und schob seine Gefährtin an den Hüften beiseite, damit ich vorbeigehen konnte. Sie hatte einen kleinen Bauch, der zwischen Rockbund und kurzem T-Shirt hervorsprang. Dann trat ich ins Freie und die Hitze hüllte mich augenblicklich in einen Mantel aus Dampf und Straßenstaub.
    Ich hatte Frau Hubmann noch gefragt, ob die junge Frau mit den langen Haaren, welche mir geöffnet hatte, ihre Enkelin gewesen sei, und erfahren, dass sie die Enkelin ihrer verstorbenen Schwester war, welche zwischendurch nach ihr schaue. Nein, sie habe keine Kinder und deshalb auch keine Enkel. Irgendwie schien mir das ein weiterer Hinweis zu sein, dass eine Verbindung zu meinem Vater bestand, obwohl das keinerlei Logik hatte.

11
    Der Kongress, für den ich nach Berlin gekommen war, fand in einem neu erbauten Hotel in Hennigsdorf statt, von meiner Pension aus eine knappe Stunde mit der S-Bahn. Für den ersten Tag waren Expertenvorträge angekündigt, welche sich mit dem Zusammenhang zwischen neuester Hirnforschung und Didaktik beschäftigten. Seit Jahren schon drängten die Neurowissenschaften in die Schule, wo sich ihnen ein großes, leeres Betätigungsfeld in Form von Schülerhirnen aller Entwicklungsstufen bot, und der Kongress über Schülerleistungen schien der beste Ort zu sein, um all die verwegenen Theorien und Erkenntnisse unter die Leute zu bringen.
    Ich folgte den Vorträgen im abgedunkelten Kongresssaal mit nachlassendem Interesse, in der Pause versuchte ich Alma zu erreichen, aber das Telefon in Astrids Wohnung läutete ins Leere. Ich bestellte einen Mokka im Hotelrestaurant (einen Espresso?, fragte der Kellner mit weichem tschechischem Akzent) und beschloss, den zweiten Teil des Vormittags mit etwas anderem zu verbringen als mit Lerntheorien, welche das Hirn als gut funktionierende Maschine sahen, an die sich die Lehrenden anzupassen hatten.
    Vielleicht sollte ich in meine Pension zurückfahren, dachte ich, und versuchen, etwas zu schlafen. In der Nacht hatte ich mich von einer Seite auf die andere gewälzt und immer, wenn ich spürte, dass ich in den Schlaf glitt und in das Wirrwarr der Träume, war ich kurz vor dem Wegdämmern wieder hochgeschreckt. Es war jedes Mal wie ein kleiner elektrischer Schlag gewesen, der mich zurück in die Helligkeit des Bewusstseins peitschte, in die Nacht in diesem Zimmer, in meine Gedanken, die sich im Kreis drehten.
    Irgendwann ließ ich die Jalousien herunter, um mein Zimmer so weit abzudunkeln, dass mich kein Lichtschein von draußen stören konnte, aber auch das nützte nichts. Ich wollte nicht wissen, wie viel Zeit schon vergangen war, seit ich die Nachttischlampe ausgeschaltet hatte, aber irgendwann sah ich doch auf meine Uhr. Es war halb vier, ich war todmüde und hellwach zugleich und beschloss, meine Schlafversuche für diese Nacht aufzugeben.
    Ich schaltete den Fernseher ein. Auf irgendeinem Sender lief die Wiederholung eines Films, den ich vor zwei oder drei Jahren im Kino gesehen hatte, trotzdem hatte ich den Eindruck, das Geschehen nicht zu kennen. Vielleicht hatte man für das Fernsehpublikum eine andere Fassung gedreht als für das Kino, oder es hatte etwas mit mir zu tun und meinem nachlassenden Erinnerungsvermögen. Dann war der Film zu Ende, ich rasierte mich, zog die Jalousien

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