Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Valais, wird aber von seiner Frau unterbrochen, die ihm sagt, er solle jetzt einfach einschenken. Tamar allerdings, die nachher am Steuer sitzen wird, will und bekommt ein Mineralwasser. »Du machst mich neugierig, meine Liebe«, sagt Wohlfrom, als er die Weinflasche entkorkt hat und mit ihr die Runde macht, »zwar entzückt mich der Besuch, den du mitgebracht hast« – ein tiefer Blick streift Tamar – »aber der Anlass scheint nicht unproblematisch zu sein.« Er wendet sich an Tamar. »Ich hatte gehofft, meine Frau sei jetzt von der Verbrecherjagd abgezogen worden. Aber ich hätte mir denken können, dass sie sich damit nicht abfindet.«
»Diesmal bin ich unschuldig«, erklärt Dagmar Wohlfrom-Kühn. »Die beiden Damen hier haben dafür gesorgt, dass dieser Fall mir wieder zugelaufen ist, wie ein Hund, der zu mir gehört.« Sie berichtet kurz, was sich draußen im Spandauer Forst ereignet hat, Wohlfrom hört zu, scheint aber Zweifel zu haben. »Was schaust du so?«
»Diese Kartoffelsäcke«, sagt Wohlfrom, »die sind mir – ganz nebenbei gesagt – von Anfang an und sofort merkwürdig vorgekommen. Aber auch deshalb, weil sie zu diesem speziellen Zweck – den ich jetzt nicht weiter ausführen will – so besonders gut nicht geeignet sind.« Er holt ein Stück Weißbrot aus dem Toaster und streicht sorgsam Butter darauf. »Kartoffelsäcke sind aus Jute, und Jute sollte sich relativ rasch abbauen. Damit stellt sich das Problem, wie selbst ein mit Steinen beschwerter Jutesack das halten soll, was naturgemäß einen gewissen Auftrieb bekommt.«
»Der Auftrieb lässt sich sehr einfach vermeiden«, sagt Tamar. »Mit einem Schnitt durch die Bauchdecke. In Süddeutschland hatte ich mal mit einem solchen Fall zu tun.«
»Schnitt durch die Bauchdecke? Das reicht?«, fragt Wohlfrom und lässt die Gabel wieder sinken, mit der er ein Stück Forellenfilet aufgespießt hat.
»Das reicht«, versichert Tamar.
»War das professionelle Arbeit?«, erkundigt sich Dagmar Wohlfrom-Kühn.
Tamar Wegenast zuckt mit den Schultern. »Professionell? Vermutlich war es damals eine Frau, die das getan hat.« Sie schenkt Professor Wohlfrom ein kurzes Lächeln. »Frauen können mit manchen Dingen sehr sachlich, sehr ungerührt umgehen.«
Wohlfrom lacht kurz auf. »Das weiß ich sehr wohl!«
»Diese Frau«, will Dagmar Wohlfrom-Kühn wissen, »kam sie vor Gericht?«
»Nein«, sagt Tamar. »Es hat sich nicht ergeben.«
»Dass Recht gesprochen wird, ergibt sich oder es ergibt sich nicht«, meint Wohlfrom. »Das gefällt mir. Ein sehr realistischer Blick auf die Wirklichkeit des Rechtsstaates.«
»Frau Wegenast darf das sagen«, stellt Dagmar Wohlfrom-Kühn klar. »Denn sie ist vom Fach. Du bist es nicht!«
»Wie du meinst«, erwidert Wohlfrom und wendet sich wieder dem Toastbrot zu.
»Genug geplaudert«, fährt seine Frau fort. »Liebe Karen Andermatt, Sie haben aus durchaus nachvollziehbaren Gründen eine Recherche in Auftrag gegeben, und Sie haben uns damit sehr geholfen … doch, das haben Sie. Aber ich denke, dass diese Recherche inzwischen den Rahmen dessen gesprengt hat, was von privaten Ermittlern üblicherweise zu leisten ist …« Sie blickt zu Tamar und hebt entschuldigend die Hand. »Ich zweifle damit in keiner Weise an Ihrer Kompetenz – es geht mir nur um die Abgrenzung von privater und polizeilicher Nachforschung.« Sie richtet den Blick wieder auf Karen. »Meine Frage wäre nun, ob diese Ermittlungen weitergeführt werden, und wenn ja, ob dann ein Austausch der Informationen möglich sein wird.«
Karen Andermatt legt sorgfältig ihr Besteck zusammen. Sie weiß nicht, was sie sagen soll, in ihrem Kopf klingt eine Erinnerung an – ein Bild oder genauer: eine ganz kurze Szene, jemand trifft ein und macht eine kurze Bemerkung … Weil ihr keine vernünftige Antwort einfällt, versucht sie es mit einer Floskel. »Warum fragen Sie? Selbstverständlich werden wir keine Informationen für uns behalten.« Und während sie das sagt, fragt sie sich, für wen sie da eigentlich spricht. Du dumme Kuh, seit wann redest du im Pluralis Majestatis? Sie wirft einen verlegenen Blick auf Tamar, die aber nur kühl und aufrecht dasitzt, mit einem verschlossenen Gesicht und ganz leicht hochgezogenen Augenbrauen.
Auch die Staatsanwältin scheint nicht ganz zufrieden und wendet sich an Tamar. »Einen erheblichen Teil der Ermittlungen haben doch Sie geleistet … Haben Sie denn eine Vorstellung davon, was als Nächstes geklärt werden
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