Berndorf 07 - Trotzkis Narr
sollte?«
»Ja«, sagt Tamar knapp. »Sie sollten prüfen lassen, ob es sich bei dem Toten aus dem Fließ um einen Erwin Krummschmidt handelt, mit de-te-, der vor etwa zwanzig Jahren verschwunden ist. Er muss eine ziemlich auffällige Erscheinung gewesen sein, in Mitte war er als die Wahrsagerin Carmencita bekannt. Falls Schmuck gefunden wurde, zum Beispiel Armreifen aus Silberblech, könnte ein Jo Wilson mehr dazu sagen …«
Die Staatsanwältin hebt die Hand und blickt zu ihrem Mann. »Carmencita?«, sagt der, »ja doch … Er oder sie zog abends durch die Kneipen und verkaufte keine Blumen, sondern Wahrsagereien, ziemlich lästig, erinnerst du dich nicht? Einmal hab ich ihm einen Zehner gegeben, jedenfalls einen kleinen Schein, und da hat er dir prophezeit, eines Tages würdest du noch ganz Berlin nach deiner Pfeife tanzen lassen …«
»Ach!«, ruft die Staatsanwältin, »was du dir wieder ausdenkst! Aber es stimmt, an dieses Geschöpf erinnere ich mich dunkel. Ach ja, damals hatten wir noch Zeit, abends in eine Kneipe zu gehen … Aber entschuldigt mich, ich darf diese Information doch weitergeben?« Ohne eine Antwort abzuwarten, steht sie auf und geht zum Telefon.
»Da wäre noch etwas«, sagt Tamar. »Ein zweiter Name. Uwe Kappolt. Der Mann hat sich am Mittwochabend in Crammenow herumgetrieben, dort, wo vergangene Nacht dieser Lutz Harlass aufgefunden wurde. Man sollte ihn fragen, was er über den Mann weiß, der in seinem Auto verbrannte.«
Die Staatsanwältin, die bereits den Hörer in der Hand hält, wirft ihr einen langen und nachdenklichen Blick zu. Dann wendet sie sich wieder zum Telefon und wählt eine Nummer, die sie auswendig kennt.
Samstag
E in schöner Herbstmorgen ist heraufgezogen, und in Finklins Arbeitszimmer schweben die Rauchkringel durch die Strahlen der Morgensonne. Auf dem Schreibtisch liegt der Havelländische Kurier mit der Schlagzeile: »In Dichterlesung Serienmörder gestellt«. Hinter dem Schreibtisch sitzt Brutus Finklin, aber er ist nicht so recht zufrieden.
»Ich habe Berndorfs schöner Begleiterin ausgehändigt, was man von mir haben wollte – die fragliche Aktentasche und was darin war, einschließlich der beiden Pistolen«, sagt er, streift die Asche von seiner Zigarette und blickt dabei zu seinen beiden Besuchern, von denen der eine aber gerade dabei ist, die Hündin Hexe zu kraulen.
»Keineswegs haben Sie uns alles ausgehändigt«, antwortet der andere Besucher. »In der Aktentasche befanden sich weder ein Notiz- noch ein Adressbuch oder sonst irgendein Schriftstück, auf dem Ihre Adresse vermerkt gewesen wäre. Wie hat Harlass also hierhergefunden?« Dieser andere Besucher ist Professor Dingeldey, der an diesem Morgen mit Berndorf nach Crammenow herausgefahren ist.
»Er kam hier vorbei und hat nach Arbeit gefragt. So hat er hergefunden. Fragen Sie Maria!«
»Lieber Genosse Finklin«, sagt Dingeldey, »das mag so gewesen sein. Aber wenn Sie als Zeuge vor Gericht bei dieser Darstellung bleiben, dann wird das Gericht unweigerlich wissen wollen, wo Harlass denn sonst noch in Crammenow wegen Arbeit vorgesprochen hat. Und was wird dabei wohl herauskommen?« Dingeldey wendet sich zu Berndorf, als ob dieser für das Gericht sprechen solle.
»Herauskommen wird, dass sonst niemand irgendwo nach Arbeit gefragt hat«, antwortet Berndorf, weiterhin die Hündin kraulend, und zwar hinter den Ohren, »das wäre in diesem Dorf nämlich aufgefallen, und die Polizei hätte es schon gewusst, als sie hier vorsprach.«
»Eben«, greift Dingeldey den Faden wieder auf, »und weil das so ist, wird das Gericht Sie erstens für einen Lügner und zweitens für einen Komplizen des Lutz Harlass ansehen. Menschenskind!«, ruft er plötzlich aus, »Sie bringen sich in Teufels Küche, begreifen Sie das nicht?«
»Das ist nichts Neues«, antwortet Finklin. »Diese Gesellschaftsordnung stellt nichts anderes dar als des Teufels weltumspannende Großküche.«
Dingeldey wirft einen Blick zur Decke. »Wollen Sie wirklich als der Gehilfe und Herbergsvater des Mannes dastehen, der Ihren Freund Marcks umgebracht hat?«
»Lieber Genosse Dingeldey, wissen Sie, was unsereinem von den Speichelleckern des Stalinismus und den Lakaien des Kapitalismus schon alles nachgesagt worden ist?«
Dingeldey wendet sich hilfesuchend zu Berndorf. Der ist dazu übergegangen, mit der Hündin das Spiel zu spielen, ob die Schnauze gewinnt oder die Hand, die die Schnauze zuhalten will. Es gewinnt die Schnauze. »Wir hatten
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